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Cicero

Instinkte bei Tieren - seelische Anlagen bei den Menschen


(Cicero, de finibus V, 42-43)

(42) Diese Ähnlichkeit sehen wir bei den Tieren, welche sich zunächst von dem Ort, an dem sie geboren sind, nicht fortbewegen, dann aber bewegt sich ein jedes sich nach seinem Instinkt.

Wir sehen, wie die kleinen Schlangen kriechen, die Entlein schwimmen, kleine Amseln fliegen, Rinder ihre Hörner gebrauchen, die Skorpione ihre kleinen Stacheln und schließlich, wie die eigene Natur für ein jedes die Führerin zum Leben ist.

Diese Ähnlichkeit wird auch beim Menschen(geschlecht) deutlich. Die Kleinen liegen zunächst so da, als ob sie überhaupt ohne Vernunft seien.

Wenn aber ein wenig Kraft hinzugekommen ist, gebrauchen sie sowohl ihren Verstand wie sie sich auch mit ihren Sinnen anstrengen, um sich aufzurichten, weiter gebrauchen sie ihre Hände und erkennen die, von denen sie erzogen werden.

Schließlich freuen sie sich über Gleichaltrige, sie tun sich gern mit ihnen zusammen, widmen sich dem Spiel, werden zum Anhören von Gechichten hingeführt, wollen von dem, was sie selbst im Überfluss haben, andern etwas schenken. Sie nehmen das wahr, was zu Hause geschieht, beginnen recht neugierig etwas zu überlegen und zu lernen.

Und sie wollen die Namen von denen, die sie sehen, genau kennen und wetteifern mit Gleichaltrigen darüber. Sie freuen sich gewaltig, wenn sie gesiegt haben; werden sie besiegt, fühlen sie sich schwach und lassen den Mut sinken.

Man muss annehmen, dass nichts davon grundlos geschieht.

(43) Von Natur aus ist das Wesen des Menschen nämlich so geschaffen, dass es anscheinend dazu gemacht wurde, alle Tugend zu erfassen und deshalb werden die Kleinen durch Abbilder der Tugenden, deren Samen sie in sich tragen, ohne Unterrichtung bewegt (geleitet). Denn das sind die Anfangsgründe der Natur; wenn sie gefördert(vergrößert) werden, ensteht gleichsam ein Keimling der Tugend.

Denn da wir so geboren und erschaffen wurden, dass wir die Grundanlagen (principia) in uns haben, etwas zu tun, andere zu lieben, freigiebig und dankbar zu sein und Anlagen haben, die zu Wissenchaft, Klugheit und Tapferkeit passen, (aber) ungeeignet (fremd) sind für gegenteilige Verhaltensweisen, sehen wir nicht ohne Grund bei den Kindern gleichsam diese Funken der Tugenden, von denen ich sprach.

Denn, wie ich schon oft sagte, im zarten Alter und bei noch schwacher Vernunft, erkennt man das Wesen der Natur gleichsam wie durch einen Dunstschleier. Wenn aber der Geist sich entwickelt und kräftigt, erkennt jener das Wesen der Natur.

Übersetzung: Hans-Jürgen Günther




Cicero (latein)


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Hans-Jürgen Günther

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