Seneca

Senecabüste


Seneca

Jeder Mensch braucht ein Vorbild (L. Annaeus Seneca, Ep. Ad Lucilium 11,8 -10)

1. Schon erfordert der Brief ein Schlusswort.
2. Vernimm eine gewiss nützliches wie heilsames Wort, von dem ich möchte, dass du es dir zu Herzen nimmst:
3. 'Irgendeinen tüchtigen Mann sollen wir uns auswählen und (innerlich) vor Augen haben, um so gleichsam unter seinem Blick zu leben und immer alles so auszuführen, als ob jener dabei zuschaut.'
4. Das, mein lieber Lucilius, lehrte Epikur. Einen Hüter und Erzieher gab er uns, und das mit vollem Recht:
5. Ein großer Teil unserer Fehler wird schon dadurch beseitigt, daß den Menschen, die gerade einen Fehler begehen wollen, ein Zeuge zur Seite steht.
6. Der Mensch sollte jemanden haben, den er verehrt, durch dessen Einfluß er auch sein Innerstes anständiger (heiliger) macht.
7. Glücklich der Mann, der nicht nur durch seine Gegenwart, sondern schon dadurch, daß man an ihn denkt, den Mitmenschen bessert!
8. Glücklich auch der Mensch, der einen Mitmenschen so verehren kann, dass er sich auch in Gedanken an ihn bestimmen lässt und in Ordnung bringt.
9. Wer einen so verehren kann, der wird schnell selbst verehrungswürdig sein.
10. Und so wähle dir einen wie Cato (zum Vorbild)! Wenn dir dieser zu unbeugsam erscheint, wähle dir einen Mann von sanfterer Gemütsart, einen wie Laelius.
11. Wähle dir einen Mann, dessen Leben und Rede und dessen Antlitz als Spiegel seiner Seele dir gefallen hat.
12. Ihn halte dir immer vor Augen als Wächter und als Vorbild! Wir brauchen, das sage ich, ein Vorbild, an dem sich unser eigener Charakter ausrichtet:
13. Nur mit Hilfe einer Richtschnur wirst du falsch Gelaufenes wieder in die richtige Richtung bringen. Lebe wohl!

Übersetzung: Hans-Jürgen Günther




Seneca (latein)


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Hans-Jürgen Günther

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