Szene nach der Plautus-Komödie

"Menaechmi"

(709 ff.)
Maske


Für "kleine" Lateinerinnen und Lateiner im 1. Jahr.



In Syrakus (Sizilien) lebte einst ein reicher Kaufmann. Er hatte Zwillingssöhne mit den Namen Menaechmus und Sosicles, die selbst die Mutter kaum auseinanderhalten konnte. Einmal nahm der Vater den Menaechmus mit nach Tarent (Süditalien) auf den Markt. Der Bruder Sosicles blieb daheim. Im Menschengewühl verlor der Vater den Menaechmus aus den Augen. Er suchte ihn lange vergebens und starb dann vor Kummer. Die Trauer in der Familie in Syrakus war groß, als man vom Tod des Vaters und dem Verschwinden des Menaechmus hörte. Um an den verlorenen Zwilling zu erinnern, erhielt nun der Sosicles den Namen Menaechmus.
Der echte Menaechmus hatte folgendes erlebt: Ein wohlhabender Kaufmann nahm sich des Jungen an. Als beide den Vater nicht gefunden hatten, nahm er ihn mit nach Epirus (Griechenland) und adoptierte ihn, weil er kinderlos war. Später verheiratete er ihn mit einer jungen Frau und setzte ihn nach seinem Tod als Alleinerben ein.
In Syracus trauerte man weiter um den vermissten Sohn bzw. Bruder. So entschloss sich Menaechmus (Sosicles) aufzubrechen, um den Bruder zu suchen. In vielen Städten und Ländern fragte er vergeblich nach ihm. So kam er schließlich nach Epirus.
Der dortige Menaechmus hatte gerade sein Haus verlassen, weil er die dauernden Zänkereien und Beleidigungen seiner Frau nicht mehr ertragen konnte. Nach einiger Zeit geht die Frau den Ehemann suchen, und da passiert es: Sie trifft auf den gerade angekommenen, ahnungslosen Zwillingsbruder, den sie selbstverständlich für ihren Mann hält. Es ergibt sich folgendes Gespräch zwischen der "uxor" und dem "Menaechmus Sosicles".

Theater in Syrakus

Griechisches Theater in Syrakus



Eine Verwechslungsszene

aus "Menaechmi" von Plautus


Personen:
Uxor - die Ehefrau
Menaechmus-Sosicles (M-S) - der ahnungslose Zwillingsbruder

UxorEcce, vir meus! Heus1 tu! Ubi fuisti tam diu?
M-SQuaenam2 ista3 est? Cur me id rogas, mulier? Quid te agitat?
UxorEtiamne unum verbum muttire4 audes?
Ubi tot horas sedisti? In caupona? Apud amicam?
Responde "flagitium hominis"5!
M-SNon ego ista3 flagitia6 sustinere possum.
Phy7! - Quantae contumeliae!
Num mos8 hic peregrinos9 verbis malis violare?
UxorTu te peregrinum vocas, quamquam multos annos in Epiro habitavisti?
M-SFabulas mirificas10 narras, mulier11!
UxorIsto mirifico nupta12 sum!
M-SQuid id ad me13? Non curo virum tuum!
Uxor(zum Publikum) Nonne iste vir meus est?
M-SCunctis deis gratus sum, quod istam numquam antea vidi.
UxorTu me numquam vidisti? Quanta est audacia14 istius.
M-SIuppiter, tu me saepe adiuvisti; serva me etiam nunc!
UxorTu deos vocare audes; Cave15!
Haud raro mendacia16 iram deorum moverunt!
M-SCur tu non cavisti, mulier formidulosa17?
UxorFrustra dissimulas! Iam patrem vocabo. (Frau ab)
M-SDi boni, mihi affuistis, a Furia me liberavistis!



Anmerkungen:

1) Heus - Heda, Hallo 2) quaenam - wer denn? 3) ista - diese 4) unum verbum muttire - sich mucksen 5) flagitium hominis - Schandbild von einem Mann 6) flagitium - Schande, Niederträchtigkeit 7) phy - Pfui! 8) mos - Sitte 9) peregrinus - Fremder 10) mirificus, a, um - wunderlich 11) mulier - Frau, Weib 12) nupta - verheiratet (mit) 13) Quid id ad me? - Was geht mich das an? 14) audacia - Frechheit 15) Cave - Hüte Dich! 16) mendacium - Lüge 17) formidulosus, a, um - furchterregend


Das Theaterstück wurde mehrfach auf Video aufgenommen.


Quelle: Beyer, Karl (Hrsgb.), Cursus Novus I, C.C.Buchners Verlag 1986, S. 36/37


Hans-Jürgen Günther

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