Rom im ersten nachchristlichen Jahrhundert-
von Tiberius bis Nerva

Wie war es möglich, dass in Rom eine Monarchie entstand?

Octavian hatte nach dem Bürgerkrieg mehr und mehr an Bedeutung gewonnen (u.a. Triumvirat mit Lepidus und Antonius), die er weiter ausbauen konnte. Er hatte den Oberbefehl über das Heer und war seit 31 Konsul. Sein Ziel bestand darin, eine legale Basis für seine Macht zu finden, die er faktisch besaß. Dies wurde ihm durch die Verleihung einiger Ehrentitel erleichtert. Octavian reformierte die Gesellschaft und schaffte es, das Reich sowohl innen- als auch außenpolitisch zu stabilisieren bzw. neu zu ordnen. Seine Macht war nicht die eines Monarchen, sondern sie bestand aus der Summe von einzelnen Ämtern.
Octavian förderte besonders die vorhellenistische Kunst. Zu seiner Zeit lebten Dichter wie Vergil, Horaz oder Livius, die als Propagandisten für Octavian arbeiteten.
Da es eine Monarchie laut Verfassung nicht gab, konnte Octavian seinen Nachfolger nicht direkt bestimmen, sondern musste ihn indirekt einsetzen. So übertrug er seinem Stiefsohn Tiberius nach und nach seine wichtigsten Ämter, sodass kein Weg an ihm vorbei führte.

Der eigentliche Beginn der Kaiserzeit

Obwohl schon Augustus praktisch uneingeschränkt herrschte, bezeichnete er sich nur als "princeps", d.h. als "Erster unter Gleichen". Seit der Anerkennung des Tiberius durch den Senat als princeps war klar, dass dieser die uneingeschränkte Macht besaß. Historiker sehen von dieser Zeit an die Möglichkeit, Kaiser- und Reichsgeschichte zu trennen; sie sind nicht unmittelbar miteinander verbunden. Belegt wird diese Sichtweise dadurch, dass es im römischen Reich viele Kaiser gegeben hat, die eigentlich ungeeignet waren, ohne dass Rom direkten Schaden genommen hätte. Auffällig ist, dass es innerhalb der kaiserlichen Familie zahlreiche Intrigen gab, die z.B. bei Nero so weit gingen, dass er seinen Bruder und seine Mutter umbringen ließ.

Tiberius (14-37)

Nach dem Tod des Augustus wurde Tiberius von der Bevölkerung Roms und vom Senat positiv aufgenommen. Er bewies Fähigkeiten in der Außenpolitik und verbesserte die Lage in den Provinzen. Allerdings führte seine persönliche Distanzhaltung (er hatte sich lange Zeit auf Capri zurückgezogen) zu einem starken Beliebtheitsverlust. Der von Tiberius eingesetzte Praetorianerpraefekt Lucius Aelius Seianus konnte durch Majestätsprozesse, die zu Hinrichtungen und Selbstmorden führten, immer mehr an Ansehen gewinnen und selbst den Thron begehren, bis Tiberius die Verschwörung des Seianus bemerkte und diesen hinrichten ließ. Seine Passivität in der Regierung ermöglichte aber weitere Majestätsprozesse; außerdem war seine Regierungszeit durch blutige Auseinandersetzungen in der kaiserlichen Familie belastet. Als Tiberius schließlich 37 an Krankheit starb, ging ein Aufatmen durch alle Bevölkerungsschichten Roms.

Gaius Julius Caesar Germanicus, "Caligula" (37-41)

Caligula (übersetzt "Soldatenstiefelchen") hielt sich in seiner Kindheit lange in Köln auf, da sein Vater Germanicus Feldherr der Rheinarmee war. Von den Soldaten erhielt er seinen Beinamen. Diese sowie die Stadtrömer brachten Caligula besondere Sympathien entgegen. Jedoch wurde die Hoffnung auf bessere Zeiten nach Tiberius enttäuscht: Nach nur einem Jahr waren die Staatskassen leer. Caligula verstand sich nicht mehr als "princeps", sondern als die Wiedergeburt der olympischen Götter und wollte seine Macht auch durch Beleidigungen des Senats und des Ritterstandes beweisen. Als Konsequenz seiner Arroganz gab es bereits ein Jahr nach Amtsantritt die ersten Verschwörungen, die Caligula jedoch hart verfolgte und bestrafte. Nach vier Jahren Regierungszeit hatte der Kaiser Rom in eine wirtschaftliche Katastrophe gestürzt, weshalb er nach seiner Ermordung im Jahre 41 auch nur vom römischen Mob betrauert wurde, der ein sorglose Leben führen konnte.

Tiberius Claudius Nero, Claudius (41-54)

Nach Caligulas Tod entstand ein kurzes Machtvakuum, da kein Nachfolger bestimmt war; republikanische Strömungen hatten jedoch keine Chance. So wurde kurz danach Claudius, der Bruder des Germanicus und Neffe des Tiberius, als neuer Kaiser vorgeschlagen und akzeptiert. Trotz kränklicher Erscheinung machte er zunächst eine gute Figur in der Regierung. Er führte feste Ressorts in der Verwaltung ein, deren Leitung er Freigelassenen übertrug. Diese Regelung sollte bis Hadrian (117) Bestand haben. Bald aber wurde Claudius zu einem Spielzeug seiner Vertrauten, die die eigentliche Macht besaßen. Um ihn an der Macht zu halten, führten sie u.a. einige erfolgreiche Militäraktionen durch, z.B. in Britannien und Israel. Zusätzlich vergrößerten sie das Reich durch die großzügige Vergabe des römischen Bürgerrechts. Seine zweite Frau Agrippina (Augusta) sorgte dafür, dass ihr Sohn Nero adoptiert und zu Claudius' Nachfolger bestimmt wurde. Nachdem sie dieses Ziel erreicht hatte, ermordete sie Claudius im Jahre 54 und brachte Nero so auf den Thron.

Domitius Nero Claudius Caesar (54-68)

Nero war der letzte Kaiser, der noch mit Augustus verwandt war. Die ersten fünf Jahre seiner Regierung verliefen glücklich, was nicht zuletzt der Verdienst seiner Berater war: Seneca, ein Philosoph, und Burrus, der Praetorianerpraefekt. Seit 59 begann Nero, sich der Kunst zu widmen; seit 62 war dieser Trend besonders stark. Nero neigte dazu, seine eigene Person zu überschätzen und wurde extrem selbstsüchtig. Der Brand Roms (64) veranlasste Nero dazu, die Christen als Täter zu beschuldigen und verfolgen zu lassen (erste Verfolgung der Geschichte). Seine Rundreise durch Griechenland, wo er als Sänger auftrat, war ein weiterer Schock für die Römer. All das führte dazu, dass Nero die Politik gänzlich vernachlässigte. So bemerkte er zu spät, dass sich eine verborgene Opposition gebildet hatte. Nach seiner Rückkehr aus Griechenland musste er feststellen, dass mehrere Heerführer in den Provinzen gegen ihn rebellierten. Er versuchte, tatsächliche wie vermeintliche Gegner zu vernichten (dabei wurde auch Seneca zum Opfer), was ihm jedoch nicht gelang, sodass er schließlich Selbstmord beging.

Das Vierkaiserjahr 68/69

Erstmals stellten die Provinzheere eine politische Macht dar. Vier Heerführer kämpften mit ihren Heeren gegeneinander: Galba, Otho, Vitellius und Vespasian. Nachdem Galba, Otho und Vitellius (in der genannten Reihenfolge) kurze Zeit regiert hatten, machte Vespasian dem Katz-und-Maus-Spiel ein Ende, indem er die Truppen des Vitellius besiegte und vom Senat als Kaiser bestätigt wurde.

Titus Flavius Vespasianus (69-79)

Erstmals wurden die kaiserlichen Befugnisse vom Senat festgelegt. Außerdem sollte nicht mehr ein Verwandter des Kaisers dessen Nachfolger werden. Der Kaiser sollte nach stoischer Auffassung den folgenden Kriterien entsprechen und nach ihnen ausgewählt werden: Gebildet, sittlich hochstehend und auf das Wohl des Volkes bedacht. Vespasian begann, die chaotische Verwaltung wieder zu ordnen. Für Philosophie hatte er allerdings wenig übrig: Sämtliche Philosophen mussten Rom verlassen. Seine Finanzpolitik traf besonders die Oberschicht hart. Unter seiner Regierung gewannen die Provinzen stark an Bedeutung. Mit der Einnahme Jerusalems (70) beendete er den seit 66 andauernden Aufstand. Mit der direkten Benennung seines Sohnes Titus als Nachfolger entsprach er nicht dem Wunsch des Senats, einen Kaiser nach stoischem Vorbild auszuwählen.

Titus (79-81)

Während seiner Zeit gab es mehrere Katastrophen. Pompeji versank 79 unter der Asche des Vesuv, in Rom selbst wütete ein schreckliches Feuer und noch dazu wurde es 80 von der Pest heimgesucht. Titus gab hier großzügige Hilfen und suchte die Nähe des Volkes, um mit ihm das Leid zu teilen. Deshalb erfreute er sich großer Beliebtheit. Nach seinem überraschenden Tod sollte er als beliebtester princeps in die Geschichte eingehen - man nannte ihn "Das Entzücken der Menschheit".

Titus Flavius Domitian (81-96)

Auch Domitian erfreute sich großer Beliebtheit; herauszuheben ist vor allem der Bau des Kolosseums, wo er zahlreiche Spiele ausrichtete. In er Politik setzte er die Linie seiner Vorgänger fort und trat besonders für eine gerechte Rechtssprechung ein. Später führte seine Beliebtheit zu einem übersteigerten Geltungsdrang, der dazu führte, dass Domitian den Titel "dominus et deus" beanspruchte. Seit dieser Zeit (87) kam es zu Verschwörungen und Hinrichtungen. Im Jahre 89 mussten, wie bei Vespasian, die Philosophen Rom, im Jahre 93 sogar Italien verlassen. Danach begann für Rom eine Schreckensherrschaft voller Verbannungen, Morde und Hinrichtungen. Mit der Ermordung Domitians (96) endete das Dynastiekaisertum. Es begann das Zeitalter der Adoptivkaiser.

Marius Coeccius Nerva (96-98) Nerva wurde ausgewählt, weil er kinderlos war und deshalb keinen direkten Nachfolger bestimmen konnte. Der Senat hatte sein Ziel erreicht, den Kaiser nach vernunftmäßigen Kriterien auswählen zu können. Nerva zog einen Schlussstrich unter die Politik seiner Vorgänger und schwor, keinen Senator umbringen zu lassen. Er verfolgte Domitians Anhänger und ließ sie später unter Druck hinrichten. Als er 98 starb, hatte er seinen ausgewählten Nachfolger Traian (98-117) bereits adoptiert. Mit ihm, so glaubte der Senat, hatte man den bestmöglichen Nachfolger gefunden, was sich bald bewahrheiten sollte: Unter ihm begann eine glückliche Zeit für das römische Reich - es erlangte seine größte Ausdehnung.

Die römische Außenpolitik im ersten Jahrhundert

Aufgrund zahlreicher Krisen wurde die Außenpolitik zum großen Teil lahmgelegt. Soweit es möglich war, wurde aber die Politik des Augustus fortgesetzt (Abrundung und Sicherung des Reiches). Nach der Niederlage des Varus im Teutoburger Wald im Jahre 9 musste Tiberius 17 auf die Elbgrenze verzichten und zog sich an den Rhein zurück. In der weiteren Zeit gab es wenige Eroberungen: 43 wurde Britannien besetzt, die Provinz bis 84 an die Südgrenze Schottlands ausgedehnt. In Germanien gab es immer noch heftigen Widerstand, und als erste württembergische Gebiete erobert waren, begann der Bau des Limes (83). Eroberungen im Osten des Reiches waren: Thrakien (46), Jerusalem (70). 89 musste Rom mit den Dakern Frieden schließen, nachdem es mehrere Niederlagen erlitten hatte. Deren Unterwerfung gelang erst unter Traian.

Die Lage im Inneren

Kennzeichnend war ein fast ständiger Friede, mit Ausnahme der Jahre 68/69. Das Kaisertum war unbestritten, selbst in der Stadt gab es kaum noch republikanische Vorstellungen. Der Kaiser wurde immer mächtiger. So hatte er das Recht, jeglichen Gerichtsprozess vor sein Gericht zu ziehen. Aber auch zeremoniell glich seine Verehrung immer mehr dem hellenistischen Kult eines Gottkaisers. Die Verwaltungsapparate waren unterbesetzt, was Claudius mit der Amtseinführung Freigelassener kompensierte. Erst unter Hadrian wurden die Freigelassenen durch Ritter ersetzt. Insgesamt wurden die Ritter zu Trägern des Staates. Hatte schon Augustus ihren gesellschaftlichen Wert deutlich angehoben, so übernahmen sie nach und nach auch in der Politik die wichtigsten Aufgeben, u.a. das Finanzwesen; außerdem wurden sie immer häufiger als Provinzverwalter eingesetzt. Dies hatte auch zur Folge, dass ein wachsender Anteil der Ritter nicht mehr aus Rom, sondern aus den Provinzen stammte. Der Senat hatte keine wirkliche politische, sondern fast nur gesellschaftliche Bedeutung. Die einfachen Leute standen weit unter Rittern und Senatoren. Unter ihnen nahm die Zahl der Freigelassenen ständig zu. Dies kam daher, dass die Sklaven nach Rückgang der Eroberungen teuer waren und sich ihr Einsatz nur lohnte, wenn sie spezialisiert waren, z.B. im Handwerk. Von hier aus war der Schritt zur Freilassung nicht mehr weit. Außerdem gab es die plebs frumentaria, Einwohner, die vom Staat mit Getreide versorgt wurden. Sie waren die zuverlässigste Stütze des Kaisers. Der Mangel an billigen Arbeitskräften hatte zur Folge, dass viele Großgrundbesitzer ihren Boden verpachteten. Die freien Bauern, die diesen Boden bebauten, gerieten mit der Zeit in immer stärkere Abhängigkeit.
Italien verlor nach und nach seine Sonderstellung im Reich; im Unterschied zu den Provinzen blieb es aber von direkten Steuern verschont.
Die Städte waren ein wesentlicher Faktor in der Romanisierung des westlichen Reiches. Viele Städte wetteiferten mit der Errichtung von Prachtstraßen, Badeanlagen oder Theatern. Auch das Heer trug zu diesem Prozess bei.
Die Wirtschaft verlagerte sich zunehmend in die Provinzen. Rom und Italien waren im Grunde nur noch Konsumenten. Der Staat griff nur selten in die Wirtschaft ein. Die Landwirtschaft blieb auch jetzt die Basis des allgemeinen Wohlstands.

Religion, geistiges Leben und Kunst

Im Grunde akzeptierten die Römer andere Religionen, da sie an die Zusammengehörigkeit aller Götter glaubten. Ausnahmen bildeten nur das Judentum, das allerdings vom Götterkult befreit war, und das Christentum, das seit Nero verfolgt wurde. Östliche Mysterienreligionen kamen besonders zur Geltung.
Die Literatur erlebte unter Nero ihren Höhepunkt. Einige Dichter knüpften an die frühkaiserliche Literatur an, doch es gab auch eigenständige Schriftsteller wie Seneca. Die Geschichtsschreibung erreichte ihren Höhepunkt erst im 2. Jh. Unter Hadrian. Dies gilt besonders für Tacitus und Sueton.
Das Bestehen eines einheitlichen Reiches ermöglichte in der Bildenden Kunst das Aufeinandertreffen vieler Kulturen. Wichtig war besonders die römische Architektur durch die Vollendung der Gewölbebaukunst (Kolosseum, Thermen).



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Rüdiger Schmedding
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