Urchristentum und römischer Staat,
römisches Staatsverständnis

Im Jahr 509 v. C. wurde die Königsherrschaft unter Tarquinus, später auch Superbus genannt, beendet. Dieser wurde wegen seiner grausamen Willkürherrschaft und weil er sein Volk zu schweren Frondiensten gezwungen hatte vertrieben.
Lucilius Junius Brutus war danach der erste Führer der neuen Republik. Ursprünglich hatten die Könige mit dem Adel, den Patriziern, die in den Curiatscomitien (Patrizierversammlungen) zusammentraten und dem Senat (Rat der Ältesten) die Regierung geführt. In der neuen Republik übernahm nun der gutsbesitzende Adel die Herrschaft. Die ansässigen Geschlechter waren in drei Stammtribus zu je zehn Curien gegliedert. Die Curieneinteilung war wiederum die Grundlage für das militärische Aufgebot und für die innere Verwaltung.
Später kamen dann aus umliegenden Ortschaften die Plebeier hinzu. Diese waren zwar persönlich frei und besaßen die gleichen Rechte wie die Patrizier, dennoch wurde ihnen die Teilnahme an allen Staatsgeschäften und eine Ehegemeinschaft mit den Patriziern nicht gewährt. So hielten die Adligen weiterhin die Staatsgewalt allein in ihrer Hand.

Die Staatsgewalt selber teilten sich verschiedene Beamte. Deren Befugnisse waren nicht dauerhaft und nicht übertragbar. Im Gegensatz zu den heutigen Verhältnissen wurden sie jedoch für ihre Arbeit in einem Ehrenamt, das sie nur für ein Jahr ausüben durften, nicht bezahlt. Zudem gab es in jedem Amt immer zwei Beamte mit gleicher Vollmacht.
Das oberste Amt wurde von Konsuln (bzw. vor 449 von Prätoren) besetzt. Sie hatten den Oberbefehl über das Heer, waren für die Rechtsprechung und die Staatsgewalt verantwortlich und besaßen das Recht auf Einberufung des Senats und der Comitien.
Später wurden bei Zunahme der Aufgaben weitere Ämter eingeführt. So gab es Stellvertreter der Konsuln, die Prätoren, die für die Rechtsprechung zuständig waren, um die Konsuln zu entlasten.
Weiterhin gab es vier Quästoren, von denen zwei den Staatsschatz verwalteten und zwei als Kriegszahlmeister mit den Konsuln ins Feld zogen.
Ein weiterer Träger der Regierungsgewalt war der Senat mit 100- 900 Mitgliedern. Er berief die Magistrate ein, bereitete wichtige Entscheidungen in der Staatsführung vor und sorgte so für eine einheitliche Entwicklung der Politik. Im Gegensatz zu den Beamten saßen die Senatsmitglieder lebenslang im Ältestenrat.
Für Notzeiten war es vorgesehen, daß einer der Konsuln einen Diktator ernannte, der höchstens sechs Monate die Macht hatte.
Seit 494 gab es auch dank Agrippa ein Volkstribunat, das nur Plebeiern zugänglich war. Dabei war es von großer Wichtigkeit, daß die zwei oder vier Volkstribunen unantastbar (sacrosancti) waren. Somit schloß dieses Volkstribunat eine Lücke im Recht der Plebeier, denn es konnte jede Verfügung des Senats oder eines Konsuls mit seinem Veto für ungültig erklären und gewährte damit den Plebeiern Schutz bei militärischen Einberufungen, Steuersachen, Verhaftungen und Bestrafungen.
Die Plebeier richteten nun das Amt der Ädilen ein. Diese ursprünglichen Gehilfen der Volkstribunen übernahmen 493 die Polizei der Stadt, die Aufsicht über die Märkte, das Verkehrswesen und die Feuerwachen.
Seit 366 wählten auch die Patrizier jährlich zwei Ädilen zur Vorbereitung der Großen Spiele zu Ehren Jupiters und um die Lebensmittelversorgung der Stadt zu überwachen.
Vor allem durch die Volscer und Aequer wurde Rom über Jahre hinweg von außen bedroht. Um so notwendiger war es daher wenigstens die innerpolitische Lage zu beruhigen. Deshalb sollte an Stelle eines individuell gehandhabten Gewohnheitsrechtes ein ordnungsgemäßes Verfahren treten. So entstand 451 das Zwölftafelgesetz, das auf zwölf Bronzetafeln aufgezeichnet und öffentlich ausgestellt wurde. Diese einzige vollständige Kodifikation (Anlegung einer Gesetzessammlung) Roms bis zum Corpus iuris civilis des Kaisers Justinian hatte im Leben eines jeden Römers einen hohen Stellenwert erreicht.
Somit wurde durch die Ausschaltung jeder Persönlichen Willkür der Adligen ein weiterer Abschnitt auf dem Weg der Plebeier zur Gleichstellung zurückgelegt.
Eine weitere eingeschränkte Erleichterung brachte die Lex Canuleia (445), die die eheliche Verbindung zwischen Plebeiern und Patriziern gestattete.
In dieser Zeit wurde auch die Centurienverfassung geschaffen. Durch sie wurde die Bürgerschaft neu organisiert und alle Bürger wurden zum Heeresdienst herangezogen. Die Bürger wurden nach ihrer Steuerleistung eingeteilt, wobei die Größe der Leistungen gleichzeitig auch das Ausmaß der Rechte bestimmte.
Somit wurde das neue Volksheer in Centurien eingeteilt und bestand aus drei Teilen. Die 193 Centurien hatten in der neuen Volksversammlung der comitia centuriata je eine Stimme. Wenn sich die Reichsten einigten erhielten sie aber die Stimmenmehrheit. Folglich war die neue Staatsform nun eine Timokratie, in der die politischen Rechte und Pflichten nach Vermögen abgestuft wurden.
Auf Grund dieser neuen Verfassung wurde 443 das Amt der Censoren eingeführt. Die zwei Censoren wurden für fünf Jahre gewählt, später für eineinhalb Jahre. Sie mußten die Schätzung des Gehalts durchführen und waren zudem mit der Oberverwaltung des Staatsschatzes betraut.

Wenn wir nun unsere heutige Staatsform anschauen, können wir viele Parallelen zu den alten Römern ziehen. Daß eine ähnliche Staatsform auch noch nach Tausenden von Jahren vorhanden ist, zeigt uns, daß die Römer schon damals ein hohes Staatsverständnis besaßen. Einen ähnlichen Verlauf nahm die Kirchengeschichte, die ihre Wurzeln am selben Ort geschlagen hat, denn die erste Phase der Kirchengeschichte spielte sich hauptsächlich in Rom ab. Sie war bis 313 n. Chr. durch die Unterdrückung der Kirche geprägt. So verfolgte zum Beispiel im Jahr 64 n. Chr. Kaiser Nero die Christen und beschuldigte sie der Brandstiftung in Rom. Daraufhin wurde Paulus hingerichtet und Petrus gekreuzigt. Aber es sollte nicht bei diesem einen Verfolger bleiben. Ihm folgten Domitian, Trajan, Hadrian, Marc Aurel, Valerian und Diokletian. 130 n. Chr. wagte es Justinus zum Christentum überzutreten. Auch dieser Märtyrer wurde hingerichtet. In der Zeit von 140 bis 160 wurde auch Marcion, ein anderer gnostischer Führer von der Kirche in Rom exkommuniziert. Schließlich wurde der Übertritt zum Christentum und zum Judentum im Jahre 202 von Kaiser Severus verboten. Erst das Toleranzedikt des Galerius (311) ließ endlich auf eine Wende hoffen. Dann schlug Konstantin Maxentius an der Milvian-Brücke und entschied sich für das Christentum. Diese "Konstantinische Wende" leitete die zweite Phase der Kirchengeschichte ein, denn das Toleranzedikt von Mailand (313) brachte eine gewisse Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung der christlichen Religion gegenüber etwa dem römischen Götterkult. Auf der Basis dieses Edikts wurde das Christentum im weiteren Verlauf der Geschichte als Reichskirche zur tragenden Kraft des Staates. 324 wurde der Sonntag als arbeitsfreier Tag erklärt und die "res publica" wurde mit der "res christiana" gleichgestellt. Auf diesem Weg entstand die antike christliche Staatskirche.



Urchristentum und römischer Staat,
römisches Staatsverständnis

Maria Meicher
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