Die Constitutio Criminalis Carolina

 

Inhalt:

  1. Geschichtliches
  2. Verfahren
  3. Rechtsgrundlage
  4. Die Folter
  5. Hexenproben

Geschichtliches

Wie die Bezeichnung Hexenprozeß schon ausdrückt, gab es auch einen gesetzlichen Hintergrund. Im Jahre 1532 erließ Kaiser Karl V. die Peinliche Gerichtsordnung, so daß die Prozesse im Namen von Recht und Ordnung geführt wurden. Nach Kaiser Karl V. wurden dieses erste deutsche Strafgesetz auch Carolina genannt. Bei der Abfassung stand die Hexenlehre der Kirche Pate. Zauberei wurden neben Mord, Totschlag, Räuberei und Brandstift als schweres Verbrechen gestellt. Die Einführung der Carolina schuf die Voraussetzung für die massenhafte Durchführung von Hexenprozessen zwischen 1580 und 1680 in Deutschland. Vielfach wird dieses erste deutsche Strafrecht auch als Bürokratischer Terror bezeichnet. Unschuldige Menschen gerieten in die Fänge eines erbarmungslosen, wie ein Uhrwerk ablaufenden Vernichtungsapparates, aus dem es in der Regel kein Entrinnen gab. Jede und jeder mußte befürchten, Opfer zu werden. In der Carolina wurde der sogenannte Ordalprozeß, dessen anerkanntes Beweismittel das Gottesurteil war, bei dem sowohl die Eisen-, Feuer- und die Wasserprobe als auch andere Verfahren durchgeführt wurden, die auf der Theorie basierten, daß der Unschuldige unterliegt und der Schuldige mit Hilfe teuflischen Werkes überlebt,von einem Indizien- und Geständnisprozeß abgelöst. Diese Prozeßform wurde von der Carolina bis in die letzte Einzelheit geregelt. Das Geständnis der Angeklagten galt fortan als das verläßlichste Mittel der Wahrheitsfindung. Es war die Aufgabe des Richters, auf legale Weise ein Geständnis zu erzwingen und durch Indizien und Nachforschungen die Wahrheit des gestandenen Verbrechens zu erhärten. Die "Carolina" versuchte, mit dem Richter eine unabhängige Instanz einzusetzen. Er war ein von der Obrigkeit beauftragter Beamter mit festem Gehalt, er mußte einen Amtseid leisten, und es war ihm verboten, eine Belohnung vom Ankläger zu nehmen. Die Folter, die auch schon bei früheren Prozessen zur Erzwingung eines Geständnisses angewandt wurde, wurde durch die "Carolina" gesetzlich bestätigt. Gleichzeitig wurden Regeln für ihre Anwendung festgelegt. Nur beim Vorligen ganz bestimmter Verdachtsgründe (Indizien) durfte gefoltert werden. Ein unter der Folter abgelegtes Geständnis war erst dann gültig, wenn es außerhalb der Folter freiwillig wiederholt wurde. Diese scheinbar humane Regelung brachte dem Angeklagten real nur leider nichts ein, drohte ihm doch beim Widerruf des erfolterten Geständnisses erneut die Folter.

Verfahren

Der Titel "Peinliche Gerichtsordnung" nennt das Vorgehen: Peinlich befragt, abgeleitet von Pein, Schmerz, heißt foltern. Nur mit der Folter als mittel der Wahrheitsfindung ließen sich die absurden Hexengeständnisse erreichen. Sie bezeugen die krankhafte Phantasie der Richter und nicht die der Betroffenen. Die Carolina beschrieb Zauberei als ein Verbrechen gegen Leib und Gut des Menschen; die Justiz machte daraus ein Verbrechen gegen Gott. Mehr als ein wirklicher Schaden an Menschen oder Vieh interessierte die Folterer der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft und der Hexentanz. Zur Anzeige reichten Gerüchte oder Besagung zum Beispiel die erfolterte Namensnennung. So konnten sich aus jedem Hexenprozeß zahllose Folgeprozesse entwickeln. Das Maß der Folter überließ die Carolina der Willkür der Richter und der erfinderischen Grausamkeit der Folterknechte. Die Folter wurde so oft wiederholt, bis das gewünschte Geständnis auch "freiwillig" außerhalb der Folterkammer abgelegt und noch einmal bestätigt wurde.

Wenn das Schuldbekenntnis vorlag, trat nach Vorgabe der Carolina das Blutgericht zusammen. Die Angeklagten hatten keine Chance. Der Ankläger war auch ihr Richter, Schöffen und Verteidigung nur Staffage; der Gerichtstag diente nicht der Urteilsfindung, sondern dessen feierliche Verkündigung. Da das Gesetz keine Möglichkeit der Berufung vorsah, konnte sich die Vollstreckung des Urteils unmittelbar anschließen.

Die Strafen waren grausam: gerädert, gevierteilt, ertränkt, lebendig begraben - je nach Vergehen. Für Hexen wurde nach dem Vorbild der Inquisition der Scheiterhaufen errichtet. In Idstein erließ der Landes- und Gerichtsherr Graf Johannes die Urteile. In der Regel wurde "Gnade erwiesen" und das Opfer erst enthauptet, dann verbrannt.

Rechtsgrundlage

Carolina, Artikel 109: Schadensstiftende Zauberei war mit dem Feuertod zu bestrafen. Zauberei ohne Schadensfolge sollte anders bestraft werden können, nämlich nach "Sachlage", worüber sich die Richter beraten lassen sollten. Die Artikel 106, 116 und 120 beschäftigen sich als weitere Rechtsgrundlage zur Urteilsfindung in den Hexenprozessen.

Artikel 116: Homosexualität und Sodomie werden mit dem Feuertod bestraft, zur Verurteilung wegen Teufelsbuhlschaft. War die angeklagte Hexe verheiratet, so stellte die Teufelsbuhlschaft für sie gleichzeitig nach Artikel 120 strafbaren Ehebruch dar.

Artikel 106: Kultische Aktionen der Hexenveranstaltungen wie Gottesverleugnung, Teufelshochzeit, Hexentanz und Hexenflug wurden als Majestätsbeleidigung Gottes behandelt, die als Gotteslästerei und Religionsfrevel mit der Todesstrafe geahndet wurden.

Die Folter

Das Prinzip der Folter (Tortur, peinliche Befragung) ist so alt wie die Menschheit. Im Mittelalter galt die Folter als Instrument des Gottesurteils.Ab dem 15. Jahrhundert wurde die Folter zum funktionalen Bestandteil in den Hexenprozessen. Wurde jemand der Hexerei beschuldigt, so wurden die Vorwürfe durch Richter geprüft. Ergab die Prüfung den dringenden Verdacht der Hexerei, so wurde die Person sofort verhaftet und verhört. Erfolgte in diesem Verhör kein Geständnis, so wurde die Person gefoltert. Die Folter der Hexen bzw. Hexer wurde von Henkern (sogenannten Hexenjägern) ausgeführt. Die Hexenjäger erhielten Lohn für ihre getane Arbeit. Der Sinn der Folter bestand darin, die Verfolgten (Hexe / Hexer) zu einem Geständnis zu zwingen. Ohne Geständnis konnte die Hexe / der Hexer nicht hingerichtet werden. Auch das Schweigen galt als Geständnis, d. h. verweigerten die Hexen / Hexer die Aussage, so wurden sie trotzdem verurteilt. Hiervon ausgenohmen wurden nur wenige, z. B. schwangere Frauen, sie entgingen der Folter und Hinrichtung. Dagegen wurden Kinder wiederum gefoltert. Allgemein wurde mit der Folter so lange fortgefahren, bis das Opfer viele Komplizen genannt hatte. Auch diese wurden verhaftet und gefoltert, bis auch sie weitere Namen genannt hatten. So konnten sich aus jedem Hexenprozeß zahllose Folgeprozesse entwickeln. Es gab verschiedene Methoden der Folter. Werkzeuge waren unter anderem die Daumenschrauben und die Beinschrauben (auch spanischer Stiefel genannt). Dieses Werkzeug wurde zum Quetschen der Finger bzw. der Waden genutzt. Auch wurde durch das Schlagen mit Ruten und gleichzeitiger Streckung des Körpers gefoltert. Ein anderes Mittel war das Hochziehen an den auf dem Rücken zusammengebundenen Armen, wobei Gewichte an den Füßen die Qualen verstärkten. Es kam vor, dass ein Angeklagter während der Folter starb. Dann wurde die Schuld durch den Richter und Henker auf den Teufel abgewälzt. Es war nicht möglich, in der Folter seine Unschuld zu beweisen. Die Folter wurde bis zu vier mal wiederholt und bei Verbrechen von besonderer Härte wurde die Folter mit extremer Dauer, Härte und Häufigkeit eingesetzt. Eine Frau, die wegen Hexerei festgenommen wurde, mußte schuldig sein, ob zu Recht oder zu Unrecht. Ansonsten fühlten sich die Untersuchungsbeamten beschämt. Sobald das Schuldbekenntnis vorlag, trat nach Vorgabe der Carolina das 'Blutgericht' zusammen, um die Verurteilung zu verkünden. Die Angeklagten hatten keine Chance.

Hexenproben


Schwur und Wasserprobe der Hexen
aus der Heidelberger Sachsenspiegelhandschrift

Hexenproben sind auch unter der Bezeichnung Gottesurteil bekannt. Ein Zeichen Gottes konnte nach dem Volksglauben die Unschuld beweisen. In engen Zusammenhang steht dazu der Glaube, dass der Schuldige nur mit Hilfe teuflischen Machwerks siegen kann. Aus dieser Vorstellung entstanden die Hexenproben wie z.B. Eisen-, Feuer-, Nadel-, Tränen- und Wasserproben.

Wasserprobe in einem Fluß

Wasserprobe: Das Opfer wurde mit den Daumen an die gegenüberliegenden Zehen gefesselt und, an ein Seil gebunden, ins Wasser hinabgelassen, z.B. in einem Fluß oder Teich. Schwimmen war das Zeichen der Schuld und damit die Hexerei erwiesen. Sank der Körper ins Wasser, so galt die Angeklagte als unschuldig (meistens ertrank sie dann aber). Insgesamt konnte die Probe bis zu 3x wiederholt werden. Eine Vorstellung war, daß der Teufel im Wasser mit der Hexe war und ihr Untersinken verhinderte. Eine andere Vorstellung beruhte darauf, dass Hexen sehr leicht sein mußten,um fliegen zu können und daher nicht untergehen konnten. Die Wasserprobe wurde bei Mitgliedern unterer Klassen angewendet.

Wägeprobe: Ähnlich wie in der Wasserprobe war auch hier das Prinzip, dass Hexen leichter sein mußten, um die Fähigkeit des Fliegens nicht zu verlieren. Das gemessene Körpergewicht gab Auskunft darüber, ob es sich bei der Frau um eine Hexe handelte oder nicht. Man ging davon aus, dass die angeklagte Person nicht über 5 Kilo weniger wiegen durfte als ein bestimmtes geschätztes Gewicht. War sie leichter, mußte sie eine Hexe sein. Man ging aber auch davon aus, dass, wenn sie nicht leichter war, sie die Waage verhext haben müßte (demzufolge ebenfalls als Hexe angeklagt werden konnte).

Feuerprobe: Die Angeklagten mußten ein glühendes Stück Eisen über eine bestimmte Entfernung tragen, oder barfuß mit verbundenen Augen über rotglühende Pflugscharen gehen. Drei Tage später wurden Hände und Füße begutachtet. War die Angeklagte verletzt (was wohl im allgemeinen zu erwarten ist), so galt sie als schuldig, war sie unverletzt, wurde sie für unschuldig erklärt.

Tränenprobe

Sebastian Werner und Martin de la Iglesia

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