Auszüge aus:
Emmendingensis
Rostock 1694
von Johannes Fecht
mit einer Übersetzung des
Latein-Leistungskurses des
Goethe-Gymnasiums Emmendingen
Caput 1:
De JACOBO,
Marchione Badensi
Kapitel 1:
Über JAKOB, den badischen
Markgrafen
Caput VI:
De loco, ubi
habitum colloqvium est, oppido
Emmendinga
Kapitel VI:
Über den Ort, wo das
Religionsgespräch
abgehalten wurde, die Stadt
Emmendingen
Übersetzt und im Selbstverlag herausgegeben vom Latein-Leistungskurs 1990 des Goethe‑Gymnasiums Emmendingen: Markus Bär, Friederike Bornkamm, Albrecht Fischer, Alexander Edouard Kirsch, Hans-Christian Klein, Irene Klug, Stefanie Kraft und Hans-Jürgen Günther. 3. Auflage, Gedruckt in Emmendingen 1990.
Caput I: De JACOBO, Marchione Badensi, instituti colloqvii auctore
Kapitel 1: Über JAKOB, den
badischen Markgrafen, den Initiator des Religionsgespräches
Caput VI: De
loco, ubi habitum colloqvium est, oppido Emmendinga
Kapitel VI: Über den Ort, wo
das Religionsgespräch abgehalten worden ist, die Stadt Emmendingen
Nach dem schriftlichen Abitur 1990 übersetzten wir,
der Latein‑Leistungskurs des Goethe‑Gymnasiums Ausschnitte aus
Johannes Fechts Historia Colloqvii Emmendingensis. Als wir anschließend Herrn
Hetzel und den im Text erwähnten Kirchengemeinden das Kapitel VI als
zweisprachige Broschüre anfertigten, stellten wir fest, dass das Interesse an
diesem Text größer war, als erwartet. Unser Lehrer, Herr Günther, regte
daraufhin eine zweite Auflage an, die wir dann mit seiner Unterstützung noch um
das Kapitel 1 erweiterten.
Danken möchten wir an dieser Stelle auch Herrn Dekan
Hans‑Jörg Ehrke, der uns das Orginalbuch zur Verfügung stellte, Herrn Dr.
Manfred Leppert für verschiedene Anregungen, Herrn Epp, auf dessen Computer die
Textverarbeitung erfolgte und der Druckerei Görner, Inh. R. Wiehler, die die
Broschüren heftete.
Emmendingen, anno CD. ab
urbe condita Albrecht
Fischer
Knapp ein halbes Jahr nach Erhebung Emmendingens zur
Stadt (11.01.1590) ließ Markgraf JAKOB III. im Kapitelsaal seines hiesigen
Schlosses ein Religionsgespräch abhalten. Vom 13. ‑ 17. Juni 1590
diskutierten lutherische (J. Pappus, J. Nisaeus u.a.) und katholische Kirchenvertreter (Johannes Zehender, G. Hänlin) zusammen mit dem
Markgrafen verschiedene Glaubensfragen. JAKOB, der sich schon längere Zeit mit
der Frage befasst hatte, ob er lutherisch bleiben oder katholisch werden
sollte, versprach sich von diesem "Colloquium" eine Entscheidungshilfe.
Seine Konversion erfolgte im Beiseisein von (Johannes Pistorius Niddanus d.J. am 15. Juli 1590 im Kloster Tennenbach. Am 12. August
1590 fand der "solemnis actus" der Gegenreformation statt. Im Alter
von erst achtundzwanzig Jahren'starb am 17. August 1590 in seinem Emmendinger
Schloß JAKOB III. Ihm wurde am 8. August in seinem Emmendinger Schloss eine
tödliche Dosis Arsenik verabreicht. Er liegt in der Pforzheimer St. Michaelskirche begraben.
Ungefähr ein Jahrhundert später fand der
Oberhofprediger Johannes Fecht im Durlacher Archiv die Orginalprotokolle des
Emmendinger Religionsgespräches. Lorenz Schyrius, Hofprediger von JAKOBs
Bruder, Markgraf Ernst‑Friedrich, hatte sie 1590 verfasst. Kurz nach der
Entleihung der Schriften wurde im Jahre 1689 bei einem Angriff französischer
Truppen die Stadt Durlach mit Schloss und Archiv ein Raub der Flammen ‑
im selben Jahr wurde auch die Emmendinger Hochburg zerstört. Fecht, der als
Theologieprofessor einen Ruf nach Rostock in Mecklenburg erhalten hatte,
edierte hier im Jahre 1694 die "Historia Colloquii Emmendingensis".
Dieses seltene und in vieler Hinsicht wertvolle Buch befindet sich im Besitz der Christuspfarrei Emmendingen. Es ist größtenteils in Latein geschrieben. Aus diesem Werk hat der Latein‑Leistungskurs – Abitur 1990 - des hiesigen Goethe‑Gymnasiums einige Abschnitte erstmals übersetzt.
Kapitel I "De JACOBO, Marchione Badensi, instituti
colloqvii auctore" stellt den
jungen und vielseitig begabten Markgrafen JAKOB III. vor, der Emmendingen 1590
die Stadtrechte verlieh.
Kapitel VI "De loco, ubi habitum colloquium
est, oppido Emmendinga" enthält
Angaben über die Stadt, über Kirchengemeinden und Pfarrer der Markgrafschaft im
17. Jahrhundert.
Die Arbeit wurde mit freundlicher Unterstützung der
Stadtverwaltung Emmendingen zum Jubiläumsjahr 1990 von den Schülern in einer
Broschüre ediert.
Emmendingen, den 19. April
1990 Hans‑Jürgen
Günther
HISTORIA COLLOQVII
EMMENDINGENSIS,
Inter Pontificios & Lutheranos anno superioris
seculi XC. instituti,
Ex Genuinis Documentis Adornata.
Cui subjicitur
PROTOCOLLUM,
ex autographo Archivi Durlachensis nunc primum cum
necessariis annotationibus editum.
ARGUMENTUM DE ECCLESIA ANTE
LUTHERUM EXHIBENS,
&
CONCLUSIO
A Romana parte facta & Protocollo adjecta.
Quae dum refellitur, simul JO. PAPPUS, gravissimus
Lutheranorum Theologus, a calumniis
JO. PISTORII vindicatur.
Deniqve
JACOBUM MARCHIONEM
BADENSEM,
Colloqvii
Auctorem,
immerito post
illud mutasse religionem demonstratur.
Opera & studio
JO. FECHTII,
SS.TH.D. & P.P.
Consistorii SER.
Ducum Meclenb. Adsessoris & Ecclesiarum
in Districtu
Rostoch. Superintendentis.
ROSTOCHII,
Typis &
impensis JAKOBI RICHELII, Ampl. Senat. Typogr.1694.
GESCHICHTE DES
EMMENDINGER
RELIGIONSGESPRÄCHES
Zwischen Päpstlichen und
Lutheranern, gehalten im
Jahre 90 des letzten
Jahrhunderts,
mit eigenen Dokumenten
ausgestattet;
Ihm wird das
PROTOKOLL
hinzugefügt, nach einer
Handschrift des Durlacher Archivs, nun erstmals mit
den nötigen Anmerkungen
herausgegeben. Weiter enthält es
EINE DARLEGUNG ÜBER DIE
KIRCHE, AUS DER
ZEIT VOR LUTHER,
und eine
SCHLUSSFOLGERUNG
die von Katholischer Seite
vorgenommen und dem Protokoll hinzugefügt wurde.
Bei ihrer Widerlegung wird
zugleich JO. PAPPUS, ein sehr
bedeutender lutherischer
Theologe, von den Vorwürfen
des JO. PISTORIUS befreit.
Schließlich wird gezeigt, wie
JAKOB , MARKGRAF VON BADEN
der Veranstalter des
Gespräches,
unnötigerweise danach die
Religion gewechselt hat.
Vorgestellt durch die Arbeit und Bemühung von
JO. FECHT, DOKTOR DER
HEILIGSTEN THEOLOGIE,
Konsistorialrat der
Erlauchten Herzöge von Mecklenburg und
Superintendent der Kirchen im
Bezirk Rostock;.
GEDRUCKT IN ROSTOCK
Drucksatz und Kosten: Jakob
Richel, Drucker des erlauchten Senates 1694
CAP. I
DE JACOBO,
MARCHIONE BADENSI,
instituti Colloqvii auctore.
II. Cum post
Hochbergicos Marchiones Hermannus IV. medio seculo XIII. lineae Badensi initium
dedisset, continua serie ad Carolum usqve V. ejus posteri eandem produxerunt.
CAP. I
Neugründer der Emmendinger Lateinschule von 1667
Durlacensem FRIDERICO MAGNO, Principe pio, benigno,
magnanimo, bonarum literarum pacisq; studia amante; Badensem vero LUDOVICO
WILHELMO, Augustissimi Imperatoris nostri hactenus in Ungaria & Germania
Archistratego, rerumqve adversus Turcas Gallosq; gestarum magnitudine usq;
qvaqve celeberrimo, sustinente.
Qvamqvam vero
uterqve Principum, Bernhardus Badensis & Ernestus Pforzhernensis, statim
post terrarum divisionem, Evangelicam religionem vel complexi sint ipsi, vel
simul in provincias suas introduxerint, illa tamen in parte Badensi, mortuo
Bernhardo, primum a Bavaris, Tutorio nomine, mox ab Eduardo Fortunato,
Marchione, penitus & ad hunc usqve diem extincta est. Perseverat autem,
qvamqvam non sine tentata qvadam interruptione, DEO feliciter annuente, in
linea Durlacensi.
Kapitel 1.
Über JAKOB (III.), den
badischen Markgrafen,
den Initiator des
Religionssgesprächs.
II. Als Hermann IV. [+ 1190] nach der Zeit der Hachberger Markgrafen in der
Mitte des 13. Jahrhunderts die badische Linie begründet hatte, führten seine
Nachkommen sie in ununterbrochener Folge bis auf Karl (I.) (+ 1475) ins 15.
Jahrhundert fort.
In dieser Zeit vollzogen die Söhne des Christoph [+1527]
Bernhard[III.] [+1537] und Ernst [+1553] nach Teilung der Markgrafschaft eine
Trennung in zwei Linien, nämlich in die Badische und die Pforzheimische (diese
wurde nach Verlegung des Regierungssitzes nach dem Ort der Residenz, wie man so
sagt, "Durlacher Linie" genannt). Diese Linien bestehen bis zum
heutigen Tage noch. Das Durlacher Haus regiert FRIDERICUS MAGNUS [1677 –1709],
ein frommer, gütiger und edler Mensch, Liebhaber der schönen Künste, des
Friedens und der Wissenschaften. In Baden [Baden-Badener Linie] aber herrscht
LUDWIG WILHELM [1677 –1707], bis heute Heerführer unseres erhabenen Kaisers in
Ungarn und Deutschland und berühmt durch die Größe seiner Kriegstaten gegen die
Türken und Franzosen.
Obwohl beide Markgrafen, Bernhard von Baden und
Ernst von Pforzheim sofort nach der Landesteilung den evangelischen Glauben
entweder annahmen oder zur selben Zeit in ihren Provinzen einführten, wurde er
dennoch im Badener Landesteil nach Bernhards Tod zunächst von den Bayern, unter
dem Namen "Tutorium" (Vormundschaft), bald darauf von Eduard
Fortunatus, bis zum heutigen Tage ausgelöscht. Aber der evangelische Glaube
blieb in der Durlacher Linie durch Gottes glückliche Fügung erhalten, obwohl
eine gewisse Unterbrechung nicht unversucht blieb.
III. Itaqve Pforzhemii Ernesto,
sublatis morte filiis natu majoribus, Bernhardo atqve Alberto, CAROLUS
successit, (a qvo Caroloburgum, moenibus urbis Durlacensis inclusum, Principum
ex eo tempore sedes, excitatum). Carolo Filii tres,
diviso inter se, Primogeniti praerogativa tum nondum introducta, terrarum
patrimonio, Ernestus Fridericus, JACOBUS & Georgius Fridericus. Obtigerat
Ernesto Friderico pars Marchionatus inferior, qvae Pforzheimensis dicitur,
JACOBO Marchionatus Hochbergensis, cujus caput Emmendinga est, Georgio
Friderico Dynastiae superiores, Helvetiae finitimae.
Vide vero
miram Divinae providentiae in conservando purioris religionis in parte rami
Durlacensis deposito benignitatem. Reversus ad Romana sacra JACOBUS, jamqve
Hochbergicis Ecclesiis, ut idem institutum seqverentur, injuncturus, praecipiti
morbo rebus humanis eximitur. Contrario plane impetu ERNESTUS FRIDERICUS, ad
Calvinianam religionem appellens animum post JACOBI mortem edito libro, qvi ab
impressionis loco Staffurtensis appellatus est & cujus composita partim a
Würtembegicis partim a Saxonicis Theologis extat refutatio, cum Urbi Durlacensi
anno MDC. ministros obtrusisset, Calvini placita seqventes, jamqve in eo
esset, ut ad eandem religionis mutationem Pforzhemium & Ecclesias in agro
adigeret, in ipso molimine subito morbo correptus & vivere destitit &
reformare, anno MDCIV.
Ita divisae
antea provinciae propitio Numinis fato ad unam omnes devolutae sunt ad fratrem
natu minimum,
GEORGIUM FRIDERICUM, Principem, recte judicante in Sylloge
Genealogica Spenero nostro, ferventissimo in Augustanam Confessionem, ejusque
defensionem Zelo ardentem & religionis controversararum apprime etiam
peritum. Qvi eundem defecatae religionis
amorem in Filium, Fridericum V. & Nepotem Frideri'cum Vl. & Pronepotem,
FRIDERICUM MAGNUM, hodie ad imperii clavum sedentem, (faxit DEUS, aeterna
successione!) transmisit.
III. Und so ist dem Ernst in Pforzheim - nach dem Tod seiner älteren Söhne
Albert und Bernhard - Karl gefolgt,
(von dem die Karlsburg erbaut wurde, die in den Mauern von Durlach eingeschlossen
liegt und seit dieser Zeit als Regierungssitz dient). Die drei Söhne von Karl
hießen: Ernst Friedrich, JAKOB und Georg Friedrich. Sie hatten das väterliche
Gebiet unter sich aufgeteilt, weil das Vorrecht des Erstgeborenen damals noch
nicht eingeführt war. Ernst Friedrich war das Unterland der Markgrafschaft
zugefallen, das Gebiet um Pforzheim, dem JAKOB die Markgrafschaft Hachberg,
deren Hauptstadt Emmendingen ist, Georg Friedrich das Oberland, das an die
Schweiz grenzt.
Siehe aber die bewundernswerte Güte der göttlichen
Vorsehung in der Bewahrung der reineren Religion der Durlacher Linie. JAKOB war
zunächst zur römischen Kirche zurückgekehrt und schon im Begriff, sie den
Hachberger Kirchengemeinden aufzubürden, damit sie derselben Lehre folgten.
Aber durch plötzliche Krankheit wurde er der menschlichen Dinge enthoben.
Mit ganz entgegengesetztem Eifer wandte sich ERNST
FRIEDRICH in einem Buch, das er nach dem Tode JAKOBs herausgab, dem Calvinismus
zu. Dieses Buch nennt man nach dem Ort, wo es gedruckt wurde,
"Staffurt". Dazu gibt es eine treffliche Widerlegung, teils von
württemberger teils von sächsischen Theologen; als er im Jahre 1600 der Stadt
Durlach Kirchenbedienstete aufgedrängt hatte, die dem Calvinismus folgten, und
er schon daran war, in der Stadt Pforzheim und in den Kirchengemeinden auf dem
Lande den Religionswechsel durchzuführen, wurde er im Jahre 1604 mitten in der
Arbeit von einer plötzlichen Krankheit erfaßt und hörte auf zu leben und zu
reformieren.
So wurden die zuvor geteilten Provinzen durch göttliche
Vorsehung alle ohne Ausnahme auf den jüngsten Bruder, GEORG FRIEDRICH,
übertragen. In seiner Familiengeschichte urteilt unser Spener[1635 – 1705]
richtig, ‑ er war ein eifriger
Verfechter der Augsburger Confession ‑ dass der Markgraf sie [die C.A.]
glühend verteidigte und bei religiösen Streitigkeiten bestens seinen Mann
stand. Dieser hat dieselbe Liebe zur reinen Religion auf seinen Sohn,
FRIEDRCIH V. übertragen, auf den Enkel,
FRIEDRICH Vl. und den Urenkel,
FRIEDRICH den Großen, der bis heute am Ruder der Macht sitzt (und Gott walte,
mit ewiger Nachkommenschaft!).
IV. Nunc revertimur
ad JACOBUM nostrum, Marchionem, cujus vitam Jo. Pistorii verbis, qvo nemo
eandem accuratius descripsit, signabimus. Erat enim PISTORIUS, ut rerum
Germanicarum in universum, ita cumprimis Marchicarum peritissimus, admissusqve
in omnia Principum arcana, peculiari libro Res Badenses jam complexus erat,
qvi tamen lucem non vidit; nec fidem viro, nisi ubi insanum religionis studium ton papomanwnta in adversum a veritate abripuit, abjudicari fas est.
Natus ergo JACOBUS Pforzhemii est, ubi
sedem ante aedificatum Caroloburgum fixerat avus Ernestus & Pater Carolus. Patre, per Germaniam Galliamqve gravitatis &
prudentiae laude inclyto. Matre Anna Palatina, Bavariae Duce, Ruperti Veldentii
Filia; in cujus augusto pectore omnium virtutum concilium atqve coetus
confluxisse videbatur.
Nec vero in
solitaria vel Parentum vel familiae laude conqvievit, processit ad novum de se
virtuteqve sua posteris accendendum lumen, ut non tam majorum splendore
eniteret, qvam ut ipse propinqvis & iis, qvibus vitam & provinciae
haereditatem traditurus esset, novam relinqveret in exemplis rerum gloriose
actarum positam laudem.
IV. Kehren wir nun zu unserem JAKOB zurück, den Markgrafen, dessen Leben
wir mit den Worten des Jo. Pistorius nachzeichnen wollen; keiner hat es genauer
beschrieben als er. Denn PISTORIUS [1546 – 1608] war in deutscher Geschichte
genauso bewandert, wie in der Geschichte der Markgrafschaft und war in alle
Geheimnisse seiner Herren eingeweiht; er hatte schon in einem eigenen Buch die
Badische Geschichte verfaßt, das letztlich nie das Licht der Welt erblickte. Es
wäre wohl nicht recht, diesem Mann seine Zuverlässigkeit abzusprechen, außer in
Situationen, wenn diesen "Papomanen" sein rasender religiöser Eifer
in das Gegenteil von der Wahrheit fortriss.
JAKOB war also in Pforzheim geboren, wo der
Großvater Ernst und der Vater Carolus die vorher erbaute Karlsburg als Residenz
gewählt hatten. Der Vater war in Deutschland und Frankreich hoch berühmt durch
seine Würde und seine Klugheit. Die Mutter, Anna von der Pfalz, war die Tochter
des Rupertus Veldentius, eines bayrischen Herzogs. In ihrer erhabenen Brust
schien die Fülle aller Tugenden versammelt zu sein.
Aber Karl ruhte sich nicht auf dem gewohnten Ruhm
der Eltern und der Familie aus, sondern er brach auf, ein neues Licht -
ausgehend von ihm und von seiner Tugend - für die Nachkommen zu entzünden,
damit er nicht nur im Glanz der Ahnen erstrahle, als dass er vielmehr selbst
für die Nahestehenden und für die, denen er das Leben und die Markgrafschaft
als Erbe weitergeben wollte, neuen Ruhm hinterließ, gegründet auf Beispielen
ruhmreicher Taten.
V. Cum Pater vivendi
finem X. Cal. April. M.D.LXXVII. fecisset, judicio prudentissimac matris &
curatorum missus Argentoratum biennio post fuit, ad uberiora facienda, qvae sub
privata institutione jecerat, studiorum semina.
Accendebatur ad ardorem exemplo patrui, Jacobi, Trevirensis Archiepiscopi, qvi cognoscendis bonis artibus & literis omnium hominum, cum viveret, non per Germaniam tantum, sed per orbem terrarum admirationem commovit, ut & perspicacitate ingenii, & progressione in studiis, & eruditione judicii, a Philelpho, docto viro, antecellere omnibus Italis diceretur; & Philelphi sententiam ipse Jacobus, Episcopus, illustri testimonio cornprobaret, cum in Comitiis Coloniensibus, jussus a Maximiliano, Augusto Caesare, pro imperii dignitate vir unus, Princeps unus, qvatuor gentium Lgatis qvatuor lingvis, Latina, Germanica, Italica, Gallica responderet publice: & postea libros ipse plenissimos reconditae doctrinae scriberet, qvi adhuc hodie in Bibliotheca Electorali asservantur Treviris.
Hujus
insistens vestigiis JACOBUS noster, ut habebat celerrimos ingenii motus, cum
Argentorati biennium integrum pene posuisset, Latinae lingvae & Dialectices
usu sic instructus discessit, ut scriberet Latine purissime, & Logicam,
qvae in judicandis & conformandis argumentis & in generalibus
notionibus versatur, teneret totam.
V. Als der Vater am 23. März
1577 das Zeitliche gesegnet hatte, wurde JAKOB durch die Entscheidung der sehr
klugen Mutter und seiner Vormünder zwei Jahre später nach Straßburg geschickt,
um seine weiteren Studien fortzusetzen, die er im Privatunterricht begonnen
hatte.
Er wurde durch das Beispiel
seines Onkels Jakob, Erzbischof von Trier, zu wissenschaftlicher Begeisterung
entfacht. Dieser erregte zu seinen Lebzeiten durch die Kenntnisse der guten
Künste und der Literatur die Bewunderung aller Menschen nicht nur in ganz
Deutschland, sondern auf dem ganzen Erdkreis, sodass er durch seinen
Scharfsinn, durch seine Erfolge in den Studien und durch die Ausbildung seiner
Urteilskraft, von dem Gelehrten Philelphus als einer bezeichnet wurde, der alle
Italiener übertreffe; der Bischof Jakob hat diese Ansicht des Philelphus durch
einen berühmten Beweis untermauert, als er auf dem Reichstag in Köln auf Befehl
des Kaisers Maximilian als einziger Mann aus dem Fürstenstand zur Mehrung der
Würde des Reiches den Gesandten vierer Völker in den vier Sprachen Latein,
Deutsch, Italienisch und Französisch antwortete: später hat er hochgelehrte,
dicke Bücher geschrieben, die bis heute in der Bibliothek Trier aufbewahrt
werden.
Unser JAKOB trat in seine
Fußstapfen, geistig beweglich wie er nun mal war; und als er fast zwei Jahre
lang in Straßburg studiert hatte, verließ er die Stadt mit solchen Kenntnissen
in Latein und der Dialektik, dass er ein reines Latein schrieb und die ganze
Logik beherrschte, die beim Urteilen, bei der Formulierung von Beweisen und
beim der Definition von Begriffen wichtig ist.
Vl. Interruperunt tamen hunc studiorum
cursum nonnulla. Comitia Caesar Augustae habebat, anno XXC. In ea, qvod totum Rom. Imperium convenisse diceretur,
JACOBUS decimo octavo aetatis anno ex Italia, qvo semestri ante spatio ad
comprehendendam ejus nationis lingvam fuerat profectus, concessit, ut amplitudinem
comitiorum videret & propinqvorum Principum, Imperatoris cumprimis,
benevolentiam sibi pararet. Qvod morum
suavitate & habilitate
corporis & venustate actionum omnium sic conseqvebatur, ut tanqvam si
aeqvalis omnium esset, amaretur ab omnibus.
Enimvero cum aulicam vitam adspiceret, cum de militia & exercitu
ducendo voces illum qvotidianae militarium hominum circumsonarent, cum in
alieno a literis homines, bellorum sectatores, incidisset, contineri diutius
intus a natura ingeneratum armorum studium & eqvestris virtus, qvae in
puero semper enitebat, non potuit.
Itaqve literarum & studiorum amor parum defluxit, neqve jam plus
temporis sentiebat solis libris tribuendum, sed qvomodo regeret eqvum,
accurreret gloriose in longissimo spatio ad suspensum circulum, in ludicris
bellorum simulacris cum hoste confligeret, hastas tractaret, ad belli se artes
& labores assvefaceret, animo circumspiciendum & usu periclitandum esse
judicabat.
In qvo animadversum fuit, qvo die ad rem illam serio tractandam cogitationem
adjecit, eum, tanqvam si aetatem in hoc studio posuisset, summa cum dignitate
ex ludis omnibus discessisse victorem, ut non foris ex institutione
magistrorum, qvi exemplis artem & verbis praemonstrabant, a Principe
addisci, sed in natura ipsius nasci videretur armorum & belli
intelligentia.
Cujus ut tyrocinium poneret & specimen virtutis, in animo infusae,
externo signo daret, non ita diu post, cum in Coloniensi provincia ob conjugium
ab Archiepiscopo contractum, bellum exardesceret, ipse suis duxit impensis,
suaqve moderatione parvam manum eqvitum, nec se tamen sacramento militari obstrinxit.
Qvantam nihilominus inde laudem, qvantum hominum de se opinionem collegerit,
publica tum fama passim fuit decantatum.
Vl. Dennoch unterbrach einiges diesen Studiengang. Der Kaiser hielt im
Jahre 1580 einen Reichstag in Augsburg ab. Weil er gehört hatte, dass sich dort
das gesamte röm. Imperium versammelt hatte, reiste der achtzehnjährige JAKOB
aus Italien dorthin ‑ nach Italien war er ein halbes Jahr zuvor
aufgebrochen, um die Landessprache zu erlernen –, um die Erhabenheit des
Reichstages zu erleben und die Gunst der Mitfürsten und besonders des Kaisers
zu gewinnen. Dies erreichte er durch seine angenehme Umgangsart, seine
beeindruckende äußere Erscheinung und den Anmut bei all seinen Handlungen, und
zwar so sehr, dass er von allen geliebt wurde, als wäre er allen
gleichgestellt.
Aber weil er höfisches Leben dauernd vor Augen
hatte, weil ihn täglich Stimmen von Soldaten über Kriegsdienst und
Heeresführung umtönten und weil er an Menschen geraten war, die mit der
Wissenschaft nichts im Schilde führten, sondem eifrige Kriegsbefürworter
waren, da konnte die seit langem in seiner Natur schlummernde Liebe zu den
Waffen und der Reitkunst, die schon bei ihm als Kind immer auffiel, nicht mehr
zurückgehalten werden.
Keineswegs schmolz seine Liebe zur Literatur und
Wissenschaft dahin, aber er glaubte, nicht mehr allein den Büchern soviel Zeit
widmen zu dürfen, sondern er meinte, dass man sich geistig damit
auseinandersetzen und in der Praxis erproben sollte, wie man reitet, wie man
ruhmreich gegen einen in weiter Entfernug aufgehängten Ring anstürmt, wie man
in kurzweiligen Kriegsspielen mit dem Feinde kämpft, die Lanzen schleudert und
sich an Kriegskünste und Mühen gewöhnt.
Dabei hatte man bemerkt, dass er seit dem Tag, an
dem er sich mit dem Gedanken befaßt hatte, die Sache ernsthaft zu betreiben,
gleichsam als wenn er mit dieser Kunst sein Leben verbracht hätte, höchst
würdevoll siegreich aus allen Spielen hervorging, sodass es den Anschein hatte,
der Markgraf lerne nicht durch den äußeren Einfluß seiner Lehrer, die die Kunst
mit Beispielen und Worten darstellten, sondern dass das Verständnis für Waffen
und Krieg aus seiner Natur entstehe.
Um ein Probestück davon vorzulegen und ein Beispiel
seiner Tapferkeit, die in ihn gedrungen war, durch ein äußeres Zeichen zu
geben, führte er selbst kurz danach, als in Köln wegen eines Ehevertrages des
Erzbischofs ein Krieg entbrannte, auf eigene Kosten unter unter eigener Führung
eine kleine Reiterschar an und verpflichtete sich dennoch nicht unter den
Fahneneid. Wieviel Ruhm und eine wie
hohe Anerkennung bei den
Menschen er sich dort trotzdem verschafft hat, das war damals landauf, landab
in aller Munde.
VII. Interim reversus domum de sapientissimae matris consilio
&
Kupferstich von Crispijn van de Passe (um 1590), gefunden bei Pinterest
„Die Ehefrau vom durchlauchtigsten Markgrafen von Baden,
geboren in Brüssel, der Hauptstadt Brabants.“
Die zwei einfühlsam formulierten Distichen heißen übersetzt:
„Belgien ist es, welches sie, aus adligem Spross gewachsen, hervorbrachte.
Der Badische Markgraf verband sich mit ihr in Liebe.
Ihn wird sie in Ergebenheit und gleicher Liebe behalten(verbunden bleiben),
außer dass ein schrecklicher Tod die ehelichen Bande zerreißt.“
Tamen
id, qvod intendit, non impetravit. Naturae intima summaqve vis, qvae in
Principe ingenita erat, studio jam nonnullo exculta & suscitata crescebat
cum aetate, seqve apertius in dies proferebat singulos. Itaqve totam reliqvam
aetatem consecrandam in belli & armorum usum putavit ut cum hostis in
patriam ipressionem faceret, non solum corpus & vitam objicere, sed
artificiose posset bellum gerere & administrare militiam.
Legebat domi
& veteres & recentiores scriptores, qvorum in libris laus aliqva
bellicae institutionis floreret & qvorum in ea re versatum laborem &
occupatam industriam esse sciret; & qvae tum in his reperiebat, tum ipse
acumine suo collegerat, derivare statim & probare usu cupiebat.
Itaqve primo
annuo stipendio ab Electore Coloniensi constitutus, ut mille eqvos & signa
viginti peditum pro Episcopatu duceret, ad obsidionem urbis Novesii acurrit,
Parmensem inprimis Ducem belli imitandum sibi proponens; cui sic adhaesit, ut
discederet pene nunqvam. Planeqve
omnibus curis attendebat, ut
ideam perfecti ducis, qvam Parmensi expressam esse sciebat, animo
comprehenderet & includeret in memoria.
Occupata urbe
cum Parmensis ad vicinam aliam urbem, Bergam Rheni, progrederetur, rursus
insecutus est, hoc domum rediit, nisi soluta obsidione & admisso in hyberna
milite. In eo bello ad perspiciendam rem militarem profecit plurimum; & ut
natura factus erat ad militiam & valebat ingenio: sic ex istius summi viri
disciplina brevi capita & momenta maxima gerendi belli cognovit.
Qvare non
multo post Lotharingiae Duci, qvi excitatus rumore de scientia militari &
alacritate & fortitudine JACOBI, Ducem illum prae caeteris elegit, qvo in
militia uteretur & liberali constitutione annuae pecuniae transegit, ut,
qvotiens moneretur, eqvites mille & peditum signa viginti, Lotharingico
stipendio, sub suo ductu colligeret & in Lotharingiam inferret, operam suam
addixit & paulo post in bello Lotharingico reipsa praestitit.
Erat naturae
inclinatione ad subeundos maximos labores & ad patienter perferendas aeris
& victus & periculorum molestias aptissimus, planeqve deerat nihil,
qvod ad futurum summum bellorum imperatorem reqviri videtur; prudentia maxima,
usus laudabilis, fortitudo heroica animi, despicientia periculorum, alacritas
ad labores, comitas incredibilis, judicium exqvisitum, majus qvam in aetatem
conveniebat, industria & celeritas infinita, animus non humi serpens, sed
erectus ad res altissimas.
Istis omnibus
splendebat Princeps, non domi tantum suae, sed per universam Germaniam,
Lotharingiam & Galliam, & permanaverat jam fama in Italiam & in
ipsam Hispaniam, ad Pontificis summi, ad Regis Hispanici, ad Italiae Principum
aures. Ab his, si vitam tenuisset diutius, in belli ducem delectus & ad
regendas copias militares adhibitus fuisset, neqve repugnasset diu Princeps, in
rebus, qvae ad patriae periculum non converterentur.
VII. Inzwischen kehrte er nach Hause zurück und heiratete in großer
Feierlichkeit auf Rat seiner weisen Mutter im Jahr 1584 Elisabeth:
Brief der verwitweten badischen Markgräfin Elisabeth an ihren Schwager Markgraf Ernst Friedrich
unmittelbar nach Jacobs Tod (18.8.1590)
nicht so
sehr, weil sie Erbin eines großen Geldvermögens und sehr großer Macht war und
sie seitens des Vaters
die Grafschaft Culenburg in Geldern/Niederlande,
von der Mutter Teile der Grafschaft Manderscheid.
Aus dem "Atlas maior" des Joan Blaeu, 1665.
die Cuylenbergischen Lande, von der mütterlichen Seite
her Manderscheidt erbte, vielmehr weil seine so milde und gütige Mutter
vielleicht im Sinne hatte, ihrem Sohn vom Kriegstreiben wegzubringen.
Doch erreichte sie nicht das, was sie beabsichtigte.
Die innerste und starke Kraft seiner Natur, die beim Markgrafen angelegt, und
schon durch manche Übung ausgebildet und vergrößert war, wuchs mit der Zeit
und zeigte sich von Tag zu Tag offener. Deshalb glaubte er sein ganzes Leben
dem Krieg und den Waffen weihen zu müssen, sodass er, wenn der Feind einen
Angriff auf die Heimat machte, nicht nur seinen Körper und sein Leben ihm
entgegenwerfen, sondern auch kunstreich Krieg führen und das Militär verwalten
könnte.
Er las zuhause alte und neuere Schriftsteller, in
deren Büchern der Krieg hoch gelobt wurde und von denen er wusste, dass sie
sich damit sehr eifrig beschäftigt hatten; was er damals darin fand, hatte er
selbst mit seinem Scharfblick gesammelt und wollte es sofort für sich anwenden
und ausprobieren.
Deshalb wurde er zunächst für ein Jahr von einem
Kölner Anwerber militärisch verpflichtet, 1000 Reiter und 20 Fähnlein
Fußsoldaten (6000 Mann) für den Bischof zu kommandieren. Er stürmte zur Belagerung
der Stadt Neuß heran und und nahm sich dabei besonders vor, den Herzog von
Parma in der Kriegsführung nachzuahmen. Er hing so an ihm, dass er ihm fast nie
von der Seite wich. Mit aller Sorgfalt achtete er sehr darauf, dass er das
Vorbild eines perfekten Heerführers, welches er im Herzog‑von Parma
personifiziert sah, in sich aufnahm und in sein Gedächtnis einschloss.
Als der Herzog nach Belagerung der Stadt zu einer
Nachbarstadt, Bergen am Rhein, weiterzog, folgte er ihm wiederum und kehrte von
hier nach Hause zurück ohne die Belagerung aufzulösen und die Soldaten im
Winterlager zu schicken. In diesem Krieg machte er die größten Fortschritte,
militärische Probleme zu durchschauen, wie er nun mal von Natur zum
Kriegsdienst geschaffen und begabt war. So lernte er an der Disziplin dieses
bedeutenden Mannes bald das wichtigste für die Kriegsführung kennen.
Deshalb versprach er kurz darauf dem Lothringischen
Herzog seine Hilfe. Dieser gab ihm ‑ angeregt von Stimmen über JAKOBs
militärische Kenntnisse, seinen Eifer und seine Tapferkeit ‑ als Führer
vor anderen den Vorzug, damit er sich im Krieg nützlich zeige, und er
vereinbarte in einer großzügigen Regelung über die jährliche Geldzahlung, dass
er, sooft man ihn anmahne, 1000 Reiter und 20 Fähnlein Fußsoldaten unter
Lothringischern Sold, aber unter seiner Führung zusammenziehe und nach
Lothringen bringe. Wenig später leistete er ihm diese Hilfe im Lothringischen
Krieg wirklich.
Er war von Natur aus bestens geeignet, größte Mühen
auf sich zu nehmen und Beschwerlichkeiten des Klimas, bei der Ernährung und bei
Gefahren geduldig zu ertragen. Es fehlte überhaupt nichts, was man wohl bei
einem zukünftigen Oberbefehlshaber im Kriege sucht: größte Klugheit,
bewundernswerte, praktische Kenntnisse, heldenhafte Tapferkeit, Verachtung der
Gefahr, Eifer, um Anstrengungen zu bewältigen, eine unwahrscheinliche
Leutseligkeit, ein ausgesuchtes Urteilsvermögen, besser als es zu seinem Alter
paßte, Fleiß und schier grenzenlose Schnelligkeit, keine kriecherische
Gesinnung, sondern eine, die auf höchste Ziele ausgerichtet war.
In all diesen Eigenschaften glänzte der Markgraf,
und nicht nur in seiner Heimat, sondern in ganz Deutschland, Lothringen und
Frankreich. Schon war sein Ruhm nach Italien und sogar nach Spanien, zu den Ohren
des Papstes, des spanischen Königs und zu den Fürsten Italiens gedrungen. Wenn
sein Leben länger gedauert hätte, hätten diese ihn als Führer im Krieg
ausgewählt, um die Truppen kommandieren zu lassen, und der Markgraf hätte sich
bei Unternehmungen nicht lange geziert, die sich nicht zur Gefahr für seine
Heimat ausweiteten.
IIX. Nec bello
tantum eminebat JACOBUS in pace minor non erat. Valebat non magno adhuc usu
rerum, sed summo acumine ingenii & incredibili perspicacitate &
intelligentia plurimarum rerum maxima, exqvisita prudentia & eloqventia
singulari. Nihil erat tam abstrusum, qvod si tenuiter explicatum esset, ipse
motu ingenii & celeritate naturae non statim percurreret; nihil tam arduum,
qvod vestigandum non putaret & qvod, si animum parum intenderet, non
asseqveretur; nihil sic involutum, qvod cogitatione non evolveret.
Viderunt,
qvi cum Principe versati sunt, ex tenui principio qvomodo res reconditas
industria sua perqvireret, &, tanqvam si in scholis Philosophicis
consenuisset magna cum delectatione explanaret. In mechanicis, qvae studio suo
& meditatione sine alieno adminiculo invenit, mirabatur antiqvitas. In
dandis consiliis superabat omnes & ad qvas res prudentiam applicabat suam,
illas eousqve proseqvebatur, ut judicandis & ponderandis rebus nibil
cuiqvam faceret reliqvuum.
Audiebat
placide, qvid qvisqve judicaret. Multa saepe, in qvibus alii subsistebant, ille
celerrimam adhibens judicii sui normam, ad meliorem rationem dirigebat &
explicabat errorem, graviter, sapienter ornate.
Singularem
enim erat in dicendo consecutus facultatem, ut ad omnia, qvae mente
perspexisset, accommodare orationem splendidam, tum loqvens, tum scribens,
posset; sicut multas ipse literas ad viros Principes sine cujusqvam ductu
praescripsit.
IIX. Nicht nur in Kriegszeiten
leistete JAKOB Bedeutendes, sondern auch im Frieden. Er erreichte nicht nur
etwas durch seine praktischen Fähigkeiten, sondern auch durch seinen
unwahrscheinlichen Scharfsinn, seinen unglaublichen Scharfblick, durch seine
brilliante Intelligenz bei der Lösung vieler Sachfragen, seine ausgezeichnete
Klugheit und seine einzigartige Beredsamkeit. Nichts konnte so verborgen sein,
was er nicht persönlich, wenn es auch nur wenig deutlich war, durch seine große
geistige Beweglichkeit sofort erfaßte und löste; nichts war so schwierig, als
dass er glaubte, er könne es nicht erforschen und erreichen, wenn er nur ein
wenig darüber nachdachte, nichts war so schwer verständlich, als dass er es
nicht durch Nachdenken löste.
Menschen, die mit dem Markgrafen zu tun hatten,
sahen, wie er mit seinem Fleiß Verborgenes durchforschte ‑ auch wenn er
nur einen kleinen Hinweis bekommen hatte ‑ und mit großer Lust aufklärte,
gleichsam als ob er in Philosophenschulen alt geworden wäre. Was er im Bereich
der Technik mit seinem Eifer und seinem Nachdenken ohne fremde Hilfe
herausfand, darüber wunderte sich die alte Zeit. Wenn es darum ging, Ratschläge
zu erteilen, übertraf er alle. Und das, womit er sich mit seiner Klugheit
beschäftigte, verfogte er bis zu dem Punkt, dass er niemandem etwas zum
Beurteilen und Abwägen übrig ließ.
Er hörte sich gefällig an, was jeder so meinte.
Vieles, bei dem andere sich aufhielten, brachte er oft zu einer besseren Lösung
mit Hilfe seines schnellen Urteilsvermögens, und er räumte einen Irrtum
gründlich, weise und in wohlgesetzten Worten aus.
Er hatte beim Reden die einzigartige Fähigkeit
erlangt, dass er zu allem, was er genau durchschaut hatte, die richtig
gewählten Worte finden konnte, und das auch beim Schreiben. So wie er auch persönlich
viele Briefe an andere Fürsten ohne jemandes Anleitung vorschrieb.
IX. Auxit has in Principe virtutes
intermissum per annos novem lingvarum & artium studium. Qvo tempore ipse se
ad usum Latinae lingvae, qvoties res ferebat, revocabat, corrigi in loqvendo
libentissimo animo ferebat & ut sine dissimulatione, qvotqvot ei aderant,
facerent, cohortabatur. Ad percipiendam
lingvam Gallicam maxima diligentia incumbebat & eousqve processerat, ut
Gallice dissereret omnia.
Libros
Latinos, praesertim de religione scriptos, tractabat assidue & tractasset,
si vixisset, multo magis. Tanta illum cupiditas & delectatio incenderat, ut
in infelicitate sua poneret, qvod peregrinatus tamdiu ab exercitio lingvae
Latinae & ab usu Logicae artis esset & publice superiorum aliqvot
annorum opinionem damnaret, planeqve deliberaret, de novo Logicas artes
cognoscere, qvae eum ad docte commodeqve differendum instruerent.
IX. Sein Studium der Sprachen und der (freien) Künste vermehrte beim
Markgrafen diese Tugenden, obwohl ‑ er es neun Jahre unterbrochen hatte.
In dieser Zeit kam er selbst immer wieder auf den Gebrauch der lateinischen
Sprache zurück, sooft es die Sache erforderte; er ertrug es sehr bereitwillig,
beim Reden korrigiert zu werden, und er ermahnte alle seine Helfer, dieses
(sehr) zu tun, ohne sich zu verstellen. Er verwandte größte Sorgfalt darauf
Französisch zu erlernen und er war darin soweit fortgeschritten, dass er alles
fließend auf Französisch erklären konnte.
Er befaßte sich mit lateinischer Literatur, zumal
wenn sie religiöse Fragen behandelte und er hätte noch vieles mehr erreicht,
wenn er länger gelebt hätte. Eine so große Begierde und Freude hatte ihn
entflammt, dass er es als sein persönliches Unglück ansah, sich so lange Zeit
von der Praxis der lateinischen Sprache und der Anwendung der Logik entfernt zu
haben und dass er öffentlich seine Ansicht so vieler früherer Jahre verurteilte
und gründlich überlegte, aufs neue die Gesetze der Logik kennenlernen, weiche
ihn dazu befähigten, gelehrt und gewandt zu diskutieren.
X. Restant adhuc multae
partes, qvae gloriam hujus Principis complebant & faciebant, ut esset
honoratior. Domi & in provincia nullam virtutem relinqvebat, qvam non
subditis & vinicis & propinqvis Principibus & toti Imperio de se
porrigeret & qva non in omnium adspectu judicioqve luceret.
Praedicabant ejus justitiam
benignitatemqve subditi, affectum indulgentiamqve domestici, charitatem
concordiamqve uxor. Qvae praeterea familiam JACOBI qvotannis pene formosissimis
liberis augebat. [„Qvae non minima felicitatis humanae pars est.“
(Pistorius, Orationes II, S. 101)]
Cum enim
annui matrimonii sexies se ad caput suum & originem nondum vertisset,
peperit qvater; filiam primum, deinde filium, statim mortuum; tum iterum
filiam, Annam, Volrado, Corniti Waldeccio, deinde in matrimoniam datam; &
statim post mortem mariti posthumum filium Ernestum Jacobum. De qvo Pistorius
qvidem patrem moritururn tamquam certa praesensione praecognovisse pronunciat, in alvo uxoris filium esse,
qui virtutes, qui religionem, qui gloriam patris, qui omnia in se suscepturus,
qui propugnaturus, qui amplificaturus esset, & quod maximum, in quo spes
antiquissimae stirpis rora inhaereret.
Verum haec
spes Pistorii potius fuerat, qvam Marchionis, qvi praesentire potius in emortuali
lecto poterat & debebat, fratrem ERNESTUM FRIDERICUM, Pontificiae
religionis acerrimum osorem, futurum Posthumi tutorem, nunqvam passurum esse,
ut is ad amplectenda Romanorum sacra educaretur. Et ne qvid ejuscemodi
contigeret, ex qvo Papaeae religionis contagium & ad florentissimas
hodieqve in Hachbergico Marchionatu Ecclesias serperet, Divinae providentiae
beneficium est, qvae novellum Principem, nondum elapso anni spatio, ne
illecebris hujus seculi vel caperetur ipse, vel aliis adduceret periculum,
terrenis subductum coelestibus gaudiis asseruit.
X. Noch bleiben viele Seiten übrig, die den Ruhm des Markgrafen ergänzten
und ihn noch angesehener machten. Zu Hause und in der Markgrafschaft ließ er
kein vorbildliches Verhalten aus, was er nicht seinen Untertanen, den Nachbarn,
den fürstlichen Verwandten und dem ganzen Reich zeigte, worin er nicht ‑
nach Ansicht und Meinung aller ‑ hervorstach.
Die Untertanen rühmten seine Gerechtigkeit und Güte, die Bediensteten seine Nachsicht, die Ehefrau seine liebevolle und umgängliche Wesensart. Fast jährlich vergrößerte sie außerdem JAKOBs Familie mit schönen Kindern. [„Was nicht den geringsten Teil des menschlichen Glücks bedeutet.“ (Pistorius)]
Als sie noch nicht ganz sechs Jahre verheiratet
waren, hatte sie bereits vier Kinder geboren. Zuerst eine Tochter [Anna *1587],
dann einen Sohn [Ernst Karl *1588] der gleich starb; dann wiederum eine
Tochter, nämlich Anna [Jakobäa *1589], ‑ sie wurde später dem Grafen
Waldeck von Volrad in die Ehe gegeben ‑ und gleich nach dem Tod ihres
Ehemannes [JAKOB III.] einen Posthumus, Ernst Jakob [*1590]. Über diesen
vermeldet Pistorius, der Vater habe auf dem Totenbett gleichsam in einer
sicheren Vorahnung vorausgesagt, dass seine Frau einen Sohn gebären werde, der
die Tugenden,, den Glauben, der alles übernehmen, der für den Ruhm des Vaters
kämpfen und ihn vergrößern werde und, was das Wichtigste ist, auf welchem die
gesamte Hoffnung des alten Geschlechts beruhe.
Aber das war eher die Hoffnung des Pistorius, als
die des Markgrafen gewesen, der auf seinem Sterbebett vorrausahnen konnte, ja
mußte, dass sein Bruder ERNST FRIEDRICH, der die päpstliche Religion erbittert
hasste, als zukünftiger Vormund des Posthumus niemals zulassen würde, diesen
zur Verbreitung der römischen Religion aufzuziehen. Und damit nichts derartiges
gelinge und die Ansteckung der päpstlichen Religion sich nicht in die bis
heute blühenden Kirchengemeinden der Hachberger Markgrafschaft einschleiche,
bedeutet es eine Wohltat der göttlichen Vorsehung, die den noch nicht einmal
einjährigen Prinzen der irdischen Freuden entzog und in die himmlischen
aufnahm, damit er nicht durch die Verlockungen dieses Jahrhunderts entweder
selbst gefangen werde oder anderen Gefahr bringe.
XI. Hoc itaqve tramite, hoc cursu, ad
summarum qvarumlibet & excellentissimarum virtutum culmen enisus est
JACOBUS, qvarum summa tantum fastigia, brevitati studentes, verbis, maximam
partem Pistorii Orationibus desumptis, descripsimus, qvas ipse oratoria
amplitudine, ut vir fuit ad eloqventiam natus factusqve, uberrime
facundissimeqve amplificavit.
Nec enim qvicqvam gloriae tanti
Principis ex partium affectu detractum cupimus, qvem ut rarissimarum virtutum
exemplum suspicimus merito & veneramur. Non ignari, eam laudem illi qvodam
qvasi sapientum consensu & cum viveret & Post mortem attributam esse.
XI. Auf diesem Pfad, auf dieser Bahn, zu diesem Gipfel aller herausragenden
Tugenden arbeitete sich JAKOB empor, deren bedeutendste Station wir im Bemühen
um Kürze mit Worten wiedergegeben haben, die größtenteils den Reden des Pistorius entnommen sind, die er selbst [P.] in rhetorischer Fülle und
inhaltsreich dargelegt hat, wie er nun ein Manm war, der geradezu zur
Beredtsamkeit geschaffen war.
Wir wünschen nicht, dass wegen der Leidenschaft der
Parteien irgendetwas vom Ruhm dieses so großen Markgrafen geschmälert wird,
den wir als Beispiel ganz seltener Tugenden mit Recht bewundern und verehren.
Man weiß genau, dass dieses Lob nach einhelliger Meinung weiser Männer, jenem
zu Lebzeiten und dann auch nach seinem Tod zugeteilt wurde.
Cap. Vl.
DE LOCO, UBI H‑ABITUM
COLLOQIUM
EST, OPPIDO EMMENDINGA.
I. Emmendinga
Marchionatus Hochbergici metropolis est, in meditullio fere ejus sita. Distat
Friburgo Brisgoiorum milliaribus duobus, Brisaco qvinqve, Argentorato sex,
Basilea octo. Ex unius horae intervallo tergo eius celeberrimum propugnaculum,
Hochberga, imminet, petroso monti impositum, qvod hodie dejectum, ad summum ante
ultimum hoc bellum fastigium FRIDERICUS sextus, Marchio Badensis, evexerat.
Est & in eadem
provincia Sulzberga, oppidum, & monialium qvondam monasterio & aula
Principali & aqvis partim saluti proficuis, partim ex qvibus sal
excoqvebatur, haud incelebris. Praelata tamen semper Emmendinga est, ob majorem
situs commoditatem. Palatio qvoqve, intra moenia concluso, qvod Duces qvondam
Zeringiaci, postea Marchiones Hachbergenses, deniqve Badenses, subinde
inhabitarunt, superba.
Ambit urbem
praeterfluens amnis, qvi se primum in Thrisam, deinde in Rhenum, eo loco, ubi
hodie munimentum, a Ludovico appellatum, conspicitur, exonerat. Locus &
situ & adspectu & rerum omnium, qvas alit foecunda mater, terra,
ubertate plane jucundus.
Kapitel Vl.
Über den Ort, wo das
Religionsgespräch
abgehalten worden ist, die
Stadt Emmendingen.
I. Emmendingen ist die Hauptstadt der Markgrafschaft Hochberg und sie
liegt fast in ihrer Mitte von Freiburg im Breisgau liegt es zwei Meilen'
entfernt, von Breisach fünf, von Straßburg sechs und von Basel acht. In einer
Entfernung von einer Wegstunde ragt in ihrem Rücken eine sehr berühmte
Befestigungsanlage,
die Hochburg, hervor, auf einen felsigen Berg gesetzt, die
heute zerstört ist; bis zum höchsten Giebel hatte sie FRIEDRICH VI., Markgraf
von Baden, vor diesem letzten Krieg aufgebaut.
In derselben Provinz gibt es auch die Stadt
Sulzburg, einst sehr berühmt durch ein Frauenkloster, einem Fürstenhof und
durch Quellen, die teils der Gesundheit förderlich sind, und aus denen zum Teil
auch Salz ausgekocht wurde.
Doch immer ist Emmendingen durch seine bessere Lage
hervorgehoben gewesen. Auch ist es stolz auf sein Schloß, das in seinen
Stadtmauern eingeschlossen liegt, das einst die Zähringer Fürsten, später die
Hachberger und schließlich die Badischen Markgrafen bewohnten. Die Stadt umgibt
ein Fluß, der zuerst in die Dreisam und später dort in den Rhein fließt, wo man
heute eine Befestigung sieht, die nach Ludwig [XIV.] benannt wurde (Fort
Louis). Der Ort ist durch die Lage, durch den Anblick und durch die Üppigkeit
an all den Dingen angenehm, die die fruchtbare Mutter, die Erde, nährt.
II. Obtigerat hic Marchionatus in
terrarum patriarum divisione Marchioni JACOBO. Qvare aula sua Emmendingam translata, ex eo loco gubernare facillima opera
totum istum tractum, circumcirca jacentem, poterat. Ecclesiarum etiam ex eo
curam agi voluit, constituto earundem Procuratore, qvem Superintendentem
vocant, cujus sollicitudini commissae erant caeterae omnes in Marchionatu
Ecclesiae.
Sunt autem
illae numero XXIII. Pastores & Diaconos habentes XXIIX. & adhuc hodie
istae. Emmendingensis, cui praeest Superintendens, eiq; adjunctus Diaconus, ad
quam Reittensis, Colmarsreitensis, Aqvensis, aliaeq; pertinent Filiae; aede
sacra perqvam magnifica, in qva & Principes nonnulli sepulti, aeneisqve
tabulis, nuper a Gallico milite sublatis, honorati sunt, superbiens;
Malterdingensis, (locus est amplus &
rerum venalium foro celebris) qvam Pastor cum Diacono gubernat;
Kündringensis; Langendenzlingensis,
duobus templis inclyta, qvorum alteri turris superimposita est, mero solidoque
lapide, ferro, non calce combinato, constans, Pastorem pariter & Diaconum
habens;
Voerstettensis; Gundelfingensis, ipsi
Friburgo proxime imminens;
Prechtalensis, in finibus Würtembergici
Ducatus sita, in qva communi jure & Ministri Bada‑Durlacenses &
Sacerdotes Fürstenbergici, Pontificiae religioni addicti, sacra exercent;
Ottenschwandensis, ad qvam & Mußbach
& Freiampt Filiae spectant, ipsis Hercyniae sylvae intimis obhaerens;
Keppenbacensis, qvae & ipsa Filiam
agnoseit; Broggingensis, cui & inserta Dutschfeldensis & Wagenstattensis;
Eichstettensis, qvae ob amplitudinem
& Pastore olim gaudebat & Diacono; Numburgensis, ubi monasterium
qvondam fuit;
Leisselheimensis, cui & Ecclesia alia
mater Königschaffhausensis perpetuo conjuncta est; Bischoffingensis; Bickensolensis;
Weisweilensis, Rheno contigua, ex qvo loco singulis hebdomadibus oneraria
navis, peregrinantibus admodum commoda, Argentoratum tendit; Wepplinsbergensis,
monti Emmendingae contiguo imposita, sacris qvondam peregrinationibus inclyta,
qvo & Filia, Mundinga, pertinet;
Thaenigensis; Sexaviensis, qvae &
arcem Hachbergam cura sua complectitur; Balingensis; Yringensis, Brisaco, qvod
inter invicta totius mundi propugnacula numeratur, contigua; Bezingensis, qvae
& ipsa mixto cum Romanis sacrorum jure gaudet;
& Sulzbergensis, duobus clara
templis, qvorum uni monasterium qvondam sacrarum foeminarum, nunc in Latinam
Scholam conversum, adjacebat: qvae & pastore gaudet & Diacono.
II. Die Markgrafschaft war bei einer Teilung der vom
Vater geerbten Ländereien dem Markgrafen JAKOB zugefallen. Deshalb konnte er,
nachdem er seinen Hof nach Emmendingen verlegt hatte, von diesem Ort aus sehr
leicht dieses ganze Gebiet und die umliegenden Lande regieren.
Er wollte auch von hier aus die Kirchen verwalten,
nachdem er einen Verwalter über sie bestellt hatte, den sie Superintendenten
nennen und unter dessen Aufsicht alle übrigen Kirchengemeinden der
Markgrafschaft gestellt wurden.
Es gibt nämlich 23 Kirchengemeinden; Pastoren und
Diakone hatten sie 28. Bis heute sind es folgende Gemeinden: die
Kirchengemeinde von Emmendingen, der ein Superintendent vorsteht; ihm
ist ein Diakon an die Seite gestellt; zu ihr gehören die von Windenreute,
Kollmarsreute, Wasser und andere Tochtergemeinden; sie ist stolz auf
ihre sehr prächtige Kirche, in der einige Fürsten begraben und auf ehernen
Tafeln geehrt sind, die neulich von einem französischen Soldaten beseitigt
wurden;
von Malterdingen, (ein großer und durch
seinen Warenmarkt berühmter Ort) die ein Pastor mit einem Diakon verwaltet;
die von Köndringen; von Denzlingen,
durch zwei Kirchen berühmt; auf die eine wurde ein Turm aufgesetzt, bestehend
aus reinem soliden Stein und mit Eisenklammern, nicht mit Kalkmörtel verbunden;
sie hat einen Pastor und ebenso einen Diakon;
von Vörstetten; von Gundelfingen, das
selbst Freiburg bedrohlich nahe liegt;
von Prechtal, das im Gebiet der
Württembergischen Herzöge liegt, in der mit gleichem Recht sowohl
Kirchenbedienstete von Baden‑Durlach als auch Fürstenberger Priester, die
der päpstlichen Religion ergeben sind, ihre Gottesdienste abhalten.
Die von Ottoschwanden, zu der sowohl Mußbach
als auch Freiamt als Tochtergemeinden gerechnet werden, das selbst im
tiefsten Schwarzwald liegt. Von Keppenbach, die selbst eine
Tochtergemeinde hat;
Von Broggingen, zu der sowohl Tutschfelden
als auch Wagenstadt gehören.
Von Eichstetten, die sich wegen seiner
Ausdehnung einst eines Pastors sowie eines Diakons erfreute. Von Nimburg,
wo es einst ein Kloster gab;
von Leiselheim, der Königschaffhausen als
eine Muttergemeinde auf Dauer verbunden ist. Die von Bischoffingen; Bickensohl;
Weisweil, am Rhein gelegen, von wo aus an einzelnen Wochentagen ein
Lastkahn, der gerade (noch) einem Reisenden bequem ist, Richtung Straßburg
ablegt.
Von Wöpplinsberg, das auf einem Berg aufragt,
der an Emmendingen heranreicht, einst ein berühmter Wallfahrtsort, an den Mundingen
als Tochtergemeinde angrenzt.
Von Teningen und Sexau, die die
Festung Hochburg versorgt.
Von Bahlingen und Ihringen, das in der
Nähe von Breisach liegt, welches zu den uneinnehmbaren Festungen in der ganzen
Welt zählt. Die von Bötzingen, die sich über ein mit der katholischen
Kirche gemischtes Kirchenrecht erfreut
und von Sulzburg, wegen ihrer zwei Kirchen
berühmt; neben einer von ihnen lag einst ein Frauenkloster, welches nun in eine
Lateinschule umgewandelt ist: diese erfreut sich eines Pastors und eines
Diakons.
III. Condonabitur patriae meae amori,
si de statu harum Ecclesiarum, qvalis ille paulo ante tempestates has bellicas
fuerat, qvidpiam, per modum exiguae digressionis, inseruero. Gubernaverat
Ecclesiam Emmendingensem ante tricennale bellum, pastoris nomine, caeterasqve
non tantum Marchionatus Hachbergensis, sed & ditionum Helvetiae
finitimarum, susenbergicae, Roetelanae & Badewilanae Dioeceseos, officio
functus Superintendentis, qvem vocamus, Generalis, Joannes Jacobus Dalerus, e Würtebergico
Ducatu oriundus, Avus meus maternus, cum bellorum saevitie dissipati
Ecclesiarum pastores & Ecclesiae ipsae in excidium pene datae sunt.
Reflorescente
pace Emmendingensi Ecclesiae Isaacus Baderus Pastor praefectus est. Mox A.D.
M.D.CLIII. curam atq; inspectionem Hachbergicarum Ecclesiarum, Jo. Fridericus Heilbronner, e Durlaco, ubi Aulici
Concionatoris munere fungebatur, gerere jussus est, postqvam paulo ante Doctoris
in Academia Argentoratensi decus, volente pientissimo PRINCIPE, FRIDERICO V.
Badensi, impetrasset.
Ei vero post
parentis, Antonii Heilbronneri obitum ad Generalem Ecclesiarum procurationem
admoto, in speciali Ecclesiarum Hachbergensium administratione Parens meus,
Joannes Fechtius, nunqvam sine debito reverentiae cultu mihi nominandus, A.D.
NMCLV. successit, ut tamen Ecclesiae Sulzbergensis Pastoratum, cui jam XXI.
annis praefuerat, retineret.
Eidem
laboribus & annis confecto A. M.D.CLXIIX. Matthias Lemkenius,
Meclenburgicus, Pastor Langendenzlingensis, adjunctus, mox A. M.D.CLXXII.
satis functo, successor datus est, qvi Ecclesias Hachbergenses, associato ei ad
aliqvod tempus Georgio Ludovico Drexelio, Pastore Emmendingensi, viro
integerrimo, usqve ad superioris belli finem resit.
Qvo earundem
gubernationem jubente PRINCIPE primo Jo. Thomas Roeschius, singulari eruditione
& diuturnis meritis clarus, & post hunc suscepit, qvi adhuc hodie,
atqve faxit DEUS diutissime! illam tenet, Christopherus Roskopffius, Pastor
Emmendingensis, meus a teneris commilito, qvi & ingenii subtilitate &
eruditionis gloria aeqvales semper omnes antecessit, vir solida doctrina &
omni virtutum genere instructissimus.
Ecclesias
vero caeteras cum e patria discederem, Pastorali cura complectebantur, qvorum
nomina & amo semper & colo,
Martinus Mauritii Broggingensem; (Vir in literatura Hebraica, Talmudica
& Chaldaica raro exemplo versatissimus, nuper Tractatu de Sortitione Hebraeorum
edito inclarescens, brevi inexhausto multorum annorum labore, meo consilio
suscepto, consectoqve, de Re Vestiaria Hebraeorum, opere clarior futurus)
Samuel Hekelius, Köndringensem, Joannes Jacobus Wildus Daeningensem,
M. Joannes
Conradus Pfaefflinus Weplinsbergensem, Joannes Fridericus Busius Prechthalensem,
M. Antonius Christophorus Schorerus, adfinis meus, Sulzbergensem, Joannes
Kirchhofius Langendenzlingensem, M. Hieronymus Baumeisterus Balingensem,
Nicolaus Starckius Eichstettensem, Joannes Georgius Plaffius Leisselhemensem,
Joannes Fridericus Rühelius Yringensem, Immanuel Ekardus Malterdingensem,
Joannes Ludovicus Balzius Voerstettensem, Philippus Sigismundus Closius
Gundelfingensem, Joannes Fridericus Bazenldorfius Sexaviensem, Georgius
Fridericus Meierus Bezingensem,
Georgius Conradas Voitus Bischoffingensem Fridericus Menznerus Keppenbacensem,
Jo. Wihelmus
Waltherus Ottenschwandensem, Ernestas Jacobus Dagesius, Weisweilensem.
Caeterae Ecclesiae jamtum per bellicos furores aut desertae fuerant, aut cum
aliis combinatae.
Benedicat supremum Numen sacris vestris,
o amantissimi mei Fratres, laboribus, Ecclesiasqve qvondam florentissimas,
& Vos ipsos praesentibus calamitatibus ereptos, optatissimae paci restituat
& aeternae tranqvillitati!
Ego vero, cujus Parens Avusqve vestris
Ecclesiis qvondam praefuerunt, qvi & ipse Sulzbergae, loco Ministerio
vestro inserto, natus & ab anno M.D.LXVI. Langendenzlingensis Ecclesiae,
impetrata in Theologia Licentia, Pastor atqve Synodalium Disputationum
vestrarum Praeses, anteqvam in Serenissimam Aulam vocarer, per biennium
constitutus, conjunctissime vobiscum, qvi vel condiscipuli mei qvondam, vel in
Gymnasio Durlacensi auditores, vel amici mei fuistis, vixi, affectus in me
vestri, cujus hanc digressiunculam monumentum esse volui, aeternam gratamqve
servabo memoriam.
III. Meiner Liebe zur
Heimat wird man es verzeihen, wenn ich etwas ‑ in der Form eines kleinen
Exkurses ‑ über den Zustand der Kirchengemeinden hinzugefügt habe, wie er
sich kurz vor diesen Kriegswirren darstellte. Johannes Jacobus Daler hatte die
Kirche von Emmendingen vor dem Dreißigjährigen Krieg mit dem Amtstitel eines
Pastors verwaltet. Als er das Amt des Superintendenten, den wir
"General" nennen, erlangt hatte, leitete er nicht nur die übrigen
Kirchen der Markgrafschaft, sondern auch die zum helvetischen Machtbereich, zu
Susenberg, Rötteln und dem Sprengel Badenweiler gehörenden Kirchengemeinden. Er
stammt aus dem Herzogtum Württemberg, ist mein Großvater mütterlicherseits, war
damals tätig, als die Wirren des Krieges die Pfarrer der Gemeinden zerstreut
und die Kirchengemeinden fast der Vernichtung preisgegeben waren.
Bald nach Friedensschluß stand Isaac Bader der
Kirche von Emmendingen vor. Kurz darauf, im Jahre 1653, wurde Jo. Friedrich Heilbronner aus Durlach,
wo er Hofprediger war, geheißen, die Hachberger Kirchengemeinden zu versorgen
und Aufsicht über sie zu führen, nachdem er zuvor an der Straßburger
Universität mit freundlicher Unterstützung von MARKGRAF FRIEDRICH V. den
Doktortitel erworben hatte.
Als ihm nach dem Tod seines Vaters Antonius
Heilbronner die Generalkirchenverwaltung übertragen war, folgte ihm mein Vater
Johannes Fecht ‑ niemals
möchte ich diesen ohne gebührende Achtung erwähnen ‑ in der "Spezial‑Verwaltung"
der Hachberger Kirchen im Jahre 1655 nach, wobei er trotzdem die Pfarrei von
Sulzburg behielt, der er 21 Jahre vorgestanden hatte. 1668 wurde ihm, welcher
von Jahren und Arbeit geschwächt war, der Mecklenburge Matthias Lemken, Pfarrer
von Denzlingen, zur Seite gestellt und, nachdem sich bald darauf im Jahre 1672
das Schicksal an ihm erfüllt hatte, wurde dieser sein Nachfolger, der die
Hachberger Kirchen bis zum Ende des vorigen Krieges regierte.
Unterstüzender Amtsbruder von diesem war eine Zeit
lang Georg Ludovicus Drexel, Pfarrer von Emmendingen, ein untadeliger Mann.
Darauf wurde vom Markgrafen die Verwaltung derselben
Kirchen zunächst an Johannes Rösch übertragen, einen Mann von einzigartiger
Bildung, berühmt durch langjährige Verdienste. Diesem folgte Christoph
Rosskopf, Pfarrer von Emmendingen, der heute noch das Amt bekleidet. (Gott
gebe, dass es lange so bleibe!) Dieser war mein Mitschüler von Kindesbeinen an,
der alle Gleichaltrigen schon immer mit seinem klaren Verstand und dem Ruhm
seiner Bildung übertraf, ein Mann von solider Gelehrtheit und unterwiesen in
allen Arten der Tugend.
Als ich aus der Heimat wegging, versorgten die
übrigen Kirchengemeinden als Pfarrer, deren Namen ich liebe und achte: Martin
Mauritius aus Broggingen (ein Mann,
der in hebräischer wie talmudischer und chaldäischer Literatur äußerst versiert
und darin, ein seltenes Beispiel ist. Neulich hat er in einer literarischen
Abhandlung "Über das Schicksal der Juden" geglänzt und bald wird er
in einer aufopferungsvollen Arbeit über viele Jahre hin "Über die Kleidung
der Juden", die er auf meinen Rat hin aufgenommen hat, noch berühmter
werden.)
Samuel Hekel versorgte
Köndringen, Johannes Jakob Wild Teningen, M. Konrad Pfäfflin
Wöpplinsberg, Johannes Friedrich
Busius Prechtal, M. Antonius
Christoph Schorer, mein Schwager, Sulzburg, Johannes Kirchhof Denzlingen, M. Hieronymus Baumeister Bahlingen, Nikolaus Stark Eichstetten, Johannes Georg Pfaff Leiselheim, Johannes Friedrich Rühel
Ihringen, Imanuel Ekart Malterdingen, Johannes Ludwig Balz
Vörstetten, Philipp Sigismund Closius Gundelfingen, Johannes Friedrich Bazendorf Sexau, Georg Friedrich Meier Bötzingen, Georg Konrad Voit
Bischoffingen, Friedrich Menzener Keppenbach, Johannes Wihelm
Walther Ottoschwanden, Ernst Jakob Dages Weisweil. Die übrigen Kirchengemeinden
waren damals schon durch die Kriegswirren verlassen oder mit anderen
zusammengelegt.
Gott möge eure Arbeiten segnen, oh meine geliebtesten
Brüder, und die einst blühenden Kirchengemeinden und euch selbst, die ihr dem
gegenwärtigen Unglück entrissen wurdet, für eine heißersehnte, immerwährende
Friedens‑ und Ruhezeit wiederherstellen.
Ich aber, dessen Vater und Großvater euren Kirchen
einst vorstanden, der selbst in Sulzburg, einem zu eurem Gebiet gehörenden Ort
geboren bin, und seit 1666, nachdem ich die theologische Lehrerlaubnis hatte,
als Pfarrer in Denzlingen und für zwei Jahre als Vorsitzender eurer Synoden
bestellt wurde, bevor ich an den fürstlichen Hof gerufen wurde, ich habe mit
euch sehr verbunden gelebt, die ihr einst meine Mitschüler oder im Gymnasium in
Durlach meine Zuhörer oder meine Freunde gewesen seid; und ich werde die ewige
und dankbare Erinnerung an eure Zuneigung mir gegenüber bewahren: dass dieser
kleine Exkurs ein Denkmal für euch sei, war mein Wunsch.
IV. In illam itaqve EMMENDINGAM, tot
in districtu Filiarum matrem, Colloqvium transtulit JACOBUS Marchio, consilio,
qvod ego pace tanti PRINCIPIS dixerim, minus circumspecto. Qvis enim extra
partes positus non id eo tempore judicaverit: ideo electam ipsam Principis
sedem esse, ut nullo alio praesente, qvam qvi eidem subjectionis sacramento
obnoxius esset, in ordinem, suo fini inservientem, colloqventes liberius
redigere posset, ut & majestate Principis & auctoritate loci deterriti Pastores, qvorum repraesentare
personam
debebat, contra mutire nihil auderent, ut judicium
Principis, pro parte Pontificia subinde ferendum, qvotqvot e ministris aderant,
suo vel suffragio vel nutu comprobarent, confirmarentqve? Qvae singula etiam
in ipso Colloqvii actu studiose consectatum esse Principem, eo capite, qvo in
formam & processum colloqvii inqviremus, uberius dicetur.
IV. Und so ließ Markgraf JAKOB in jenem EMMENDINGEN, der Mutter so
vieler Filialgemeinden im Bezirk, nach nicht gerade umsichtiger Planung ein
Religionsgespräch abhalten ‑ soweit ich das beim ewigen Frieden des so
großen FÜRSTEN sagen kann. Denn welcher Unparteiische hätte das zu jener Zeit
nicht so beurteilt: dass deshalb gerade der Residenzort des Fürsten ausgewählt
wurde, damit er erstens nur in Anwesenheit von Leuten, die demselben Diensteid
verpflichtet waren, die Redner in Schranken, die seinen Absichten dienten,
weisen konnte, damit zweitens die Pfarrer, deren Rolle Dr. Pappus vertreten
mußte, durch das Ansehen des Fürsten und die Bedeutung des Ortes
eingeschüchtert wurden und es nicht wagten, irgendetwas dagegen zu sagen, und
damit drittens alle anwesenden Bediensteten das darauffolgende Urteil des
Markgrafen für die katholische Seite mit Beifall oder mit Nicken billigten und
bestätigten? Welche Einzelheiten auch immer der Markgraf beim Verlauf dieses
Gesprächs mit Eifer verfolgt hat, wird ausführlicher in dem Kapitel behandelt
werden, in dem ich Form und Verlauf des Gespräches untersuchen werde.